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Brancheneinblicke

3D-gedruckte Instrumente für die Veterinärchirurgie

Thunder bei der veterinärothopädischen Untersuchung an der MSU

Thunder bei der veterinärothopädischen Untersuchung an der MSU

Am Michigan State University College of Veterinary Medicine geben sich Patient*innen aller Formen, Größen und Spezies die Klinke in die Pfote. Dr. Danielle Marturello ist Assistenzprofessorin für orthopädische Kleintierchirurgie. Das bedeutet, jeden Tag wartet etwas Neues auf sie. Manchmal verbringt sie den Tag in der Klinik und empfängt Katzen und Hunde mit Knochenbrüchen, Skelettfehlbildungen oder gerissenen Bändern. Und manchmal steht sie im Operationssaal, behandelt eben diese Patient*innen und ebnet ihnen den Weg der Besserung.

Andere Patient*innen, andere Herausforderungen

In der Veterinärorthopädie muss das Fachpersonal nicht nur den Aufbau eines Skelettsystems kennen, sondern vieler. Damit das Team komplexe Operationen besser visualisieren, planen und durchführen kann, erstellt Dr. Marturello mithilfe einer Flotte von Stereolithografie-Druckern (SLA) aus dem Hause Formlabs detaillierte 3D-Modelle und Chirurgieschablonen aus ihren Bildgebungsdaten. Dank der Vielfalt der verfügbaren Materialien lassen sich auch Ausbildungshilfsmittel für die Veterinärmedizinstudierenden und Assistenzärzt*innen drucken. Das Verbessert die Resultate in der Chirurgie und das Ausbildungserlebnis an der MSU.

Caesar, an MSU veterinary orthopedic patient, during a checkup.
Otis, an MSU veterinary orthopedic patient, during a check-up.
Lilah, an MSU veterinary orthopedic patient, being discharged.

Arbeit an hochkomplexen Fällen mithilfe hochqualitativer Bilddaten

Wie bei der Humanmedizin spielen qualitative Bilddaten auch in der Veterinärorthopädie eine entscheidende Rolle. Bei jeder Untersuchung ordnet Dr. Marturello zumindest ein Röntgenbild an. Danach folgt je nach Komplexität und Notwendigkeit eines 3D-Modells ein zusätzlicher CT-Scan. Im Gegensatz zu den menschlichen Patient*innen können die Betroffenen hier weder die Stärke der Schmerzen noch deren Position mitteilen. Deshalb sind hochauflösende Bildgebung und Modellierung noch viel wichtiger für die Diagnose und die Behandlung – in Kombination mit der direkten Untersuchung. 

„Bildgebung ist ein essenzieller Bestandteil unserer Arbeit: bei der Planung einer Operation, nach Abschluss einer Operation, um den richtigen Sitz eines Implantats zu prüfen ... Ganz ehrlich, ohne könnten wir unsere Arbeit gar nicht machen“, sagt Marturello.

Scooby wird aufgrund einer Winkeldeformierung behandelt.

Scooby wird aufgrund einer Winkeldeformierung behandelt.

Der hybride Fixateur externe zur Planung der Operation des falsch geheilten Bruchs

Der hybride Fixateur externe zur Planung der Operation des falsch geheilten Bruchs

Diese Bilder und Modelle dienen der Ansicht unterschiedlicher Pathologien. Dazu zählen Frakturen aus Verkehrsunfällen oder auch Verwachsungen zweier Knochen, die zur Beeinträchtigung der Bewegung oder der normalen Funktion führen. Dr. Marturellos Team druckt Knochenmodelle aus White Resin auf dem Form 3 oder Form 3L, um die Pathologie zu untersuchen und die Operation im Voraus zu üben. 

„Wir müssen sicher vorausplanen und gewährleisten, dass das von uns Angedachte auch tatsächlich funktioniert. Außerdem nutzen wir es auch, um die Konturen auf das Knochenmodell abzustimmen. Dann sterilisieren wir das abgestimmte Implantat und setzen es während der OP ein. Das spart Zeit für unseren betäubten Patienten“, berichtet Marturello.

Bei einem äußerst kompliziertem Fall wurde ein Hund eingeliefert, mit einem zersplitterten Schienbein direkt unterhalb des Knies. Da sich der Bruch so nah am Gelenk befand, war das volle Ausmaß auf der Röntgenaufnahme nur schwer zu erkennen. Deshalb druckte Dr. Marturello das fakturierte Schienbein auf dem Form 3 mit White Resin, sterilisierte die Modelle und machte sie somit sicher für die OP-Umgebung.

Dr. Marturello erzählt uns: „Wir konnten den Knochen während der Operation drehen, um einen besseren dreidimensionalen Eindruck und eine Übersicht der Fraktur zu haben. Das ist wichtig, da wir beim Eingriff nur eine Seite zu Gesicht bekommen. Der gedruckte Knochen war aufgrund des Winkels der Fraktur mehr als hilfreich. Und obwohl der Fall so schwierig war, ging es dem Hund wieder fantastisch. Das ist wahrlich die nächste Evolutionsstufe der Chirurgie.“

In einem anderen Fall heilte der Bruch eines Hundes nicht korrekt und er konnte nicht gut laufen. Da auch hier der Bruch so nah am Gelenk war, musste Dr. Marturello ein als „Fixateur externe“ bezeichnetes Implantat einsetzen. Aufgrund der Position der Fraktur passten aber die normalen Bolzen des Implantats nicht. Die Lösung bestand aus einer Ringkomponente, die Dr. Marturello erst am gedruckten Knochen ausprobierte. Sie positionierte das Hybridkonstrukt am Modell, noch bevor der Hund zur Behandlung eintraf. 

Printed model in White Resin shown with the Fixator.

The hybrid external fixator used to plan the non-union fracture revision surgery.

„Sobald ich den Fixateur am druckten Knochen hatte, ging alles schneller. Ich konnte das Konstrukt vorab untersuchen und während der Operation einfach das wiederholen, was ich am Modell bereits geübt hatte. Das war um einiges leichter“, gibt Marturello an.

Beruhigung der Besitzer*innen

Ein häufiger Verwendungszweck 3D-gedruckter Modelle in der Humanmedizin ist die Aufklärung von Patient*innen über die spezifische Pathologie oder den Eingriff, damit sie die Prozedur besser begreifen und um ihnen die Angst vor Komplikationen zu nehmen. Dr. Marturellos Team kann seinen Patient*innen die Arbeit zwar nicht im Voraus erklären, jedoch eignen sich die 3D-Modelle, um ihren Besitzer*innen die Einzelheiten näherzubringen. 

„Bei einer Winkeldeformierung hatten wir eine Säge mit im Raum und führten die Operation am gedruckten Modell durch, um den Vorgang zu demonstrieren. Anhand dieses neugewonnenen Verständnisses erlangten wir das Vertrauen und die Zustimmung.“

Dieser Aufklärungsaspekt erweitert sich auch auf die Assistenzärzt*innen und die Studierenden der Veterinärmedizin, die bei den klinischen Eingriffen assistieren oder zusehen. Dr. Marturello modelliert Knochen und Operationen für ihre Studierenden und Assistenzärzt*innen, damit diese üben und die technischen Fertigkeiten erlernen.

„Lehrmodelle sind teuer und nutzen sich schnell ab. An Leichen zu kommen, ist schwer. Aber die 3D-Daten komplexer oder komplizierter Fälle bleiben uns erhalten. Wenn also ein Modelldruck für Praxisübungen verbraucht wird, drucken wir ihn einfach neu, wann immer wir ihn brauchen.“

Als eine der wenigen Veterinärkräfte, die 3D-Druck einsetzen, ist Dr. Marturello auch oft Ansprechpartnerin für andere Abteilungen, falls bei gewissen Pathologien Abbildungs- oder Operationsprobleme auftreten. Mit ihrem Form 3Form 3B und Form 3L druckt sie Modelle von Tumoren oder Organen aus Clear Resin oder White Resin, damit auch andere Chirurg*innen sich die Behandlung dieser Pathologien bildhaft vor Augen führen können. 

„Uns gefällt die Zuverlässigkeit. Es ist noch nie ein Druck fehlgeschlagen. SLA-Drucker fertigen hübschere Modelle an als FDM-Drucker. Das ist besonders von Vorteil, wenn wir mit den Besitzern der Tiere reden. Da wollen wir, dass unsere Modelle gut aussehen. Wir haben mit dem Form 2 angefangen und haben jetzt einen Form 3, Form 3B und Form 3L. Wir sind mit der Präzision äußerst zufrieden.“

Otis mit Dr. Marturello, vier Wochen nach seiner geglückten Operation

Otis mit Dr. Marturello, vier Wochen nach seiner geglückten Operation