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So finden Sie den richtigen Vertragshersteller

Bei einem Vertragshersteller handelt es sich um ein Unternehmen, das Teile des Fertigungsprozesses für ein anderes im Rahmen eines für beide Seiten nutzbringenden Dienstleistungsvertrags übernimmt. In der heutigen globalen Unternehmenslandschaft kann die Auswahl eines Vertragsherstellers ein aufwendiger und langwieriger Vorgang sein. Es reicht nicht, das beste Preisangebot oder das hilfsbereiteste Team zur Delegierung von Fertigungsaufgaben auszuwählen. Für eine strategische Auswahl müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. 

Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die Aspekte, die bei der Auswahl eines Vertragsherstellers zu berücksichtigen sind, sowie eine praktische Tabellenvorlage für den Vergleich von Kosten und qualitativen Faktoren.

Der Ablauf der Auftragsfertigung

Bei der Auftragsfertigung basiert das Geschäftsmodell auf einer Vereinbarung über Fertigungsleistungen. Das Unternehmen, das einen Vertragshersteller sucht, wählt einige Kandidaten unter den möglichen Fertigungsunternehmen aus und geht mit einer Angebotsanfrage für ihr Produkt auf sie zu. Die Hersteller liefern dann ein Preisangebot für alle beteiligten Komponenten und es wird ein Fixpreis für eine bestimmte Menge gefertigter Waren ausgehandelt. 

Dieser hängt vom verfügbaren Personal, der Ausrüstung, den Materialien, der Werkzeugbestückung und den Versandoptionen des Vertragsherstellers ab. Wenn dies vorgesehen ist, kann der Vertragshersteller auch die Fertigung bestimmter Teile auf der Stückliste an Subunternehmen auslagern. Im Prinzip bietet die Arbeit mit einem Vertragshersteller die Möglichkeit, eine betriebsexterne Fabrik zu mieten.


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Warum die Produktion an einen Vertragshersteller auslagern?

Unternehmen lagern den Fertigungsprozess aus verschiedenen Gründen an Vertragshersteller aus:

  • Geringere Kosten: Der Bau einer Fabrik ist mit extrem hohen Kosten verbunden, also ist ein Vertragshersteller oft und vor allem für Startups der einzige Weg, die Produktion zu beginnen. Viele Vertragshersteller befinden sich in China, Indien und südostasiatischen Ländern, in denen die Arbeitskosten bis zu zehnmal niedriger sein können als in Europa oder den USA. Die Produktion in China ist insbesondere attraktiv für die Herstellung in großen Mengen mit konventionellen Fertigungstechnologien, wie dem Spritzguss, sowie für Produkte, deren Montage erhebliche Arbeitszeit erfordert, bei denen wenig Bedenken bezüglich geistigem Eigentum bestehen und mit großzügigen Lieferfristen.

  • Schnellere Markteinführung: Der Bau einer Fabrik von Grund auf kann Jahre dauern. Vertragshersteller verfügen bereits über Einrichtungen mit einem Großteil der benötigten Anlagen und Mitarbeiter, sodass die Produktion in wenigen Monaten vorbereitet werden kann.

  • Einfacherer Ablauf: Bei einer ausgelagerten Produktion muss das Unternehmen nicht die Expertise zur Einrichtung und zum Betrieb der Produktionslinie aufbauen. Stattdessen werden interne Ressourcen für Kernkompetenzen frei, wie zum Beispiel Forschung und Entwicklung oder Marketing und Markenführung.

  • Effizienz: Wird ein Vertragshersteller ausgewählt, der alle Komponenten Ihres Produkts übernehmen kann, so optimiert das die Lieferkette und verhindert aufwendige Planung und unnötige Verzögerungen.

  • Qualitätskontrolle: Viele Fabriken, vor allem in Europa und den USA, unterliegen strikten Qualitätsvorschriften. So wird eine hohe Qualität der Teile gewährleistet und zusätzliche Überarbeitung zur Einhaltung von Konformitätsnormen vermieden, die an diesem Punkt Zehntausende Euro kosten kann.

  • Expertise: Die besten Vertragshersteller begrüßen die Gelegenheit, ein Produkt auf die produktionsfertige Phase hinzuentwickeln, und stehen Ihnen mit technischem Rat, Unterstützung für das Design for Manufacturing (DFM) und einmaligen technischen Dienstleistungen (Non-Recurring Engineering, NRE) zur Seite. Im Fall eines Original Design Manufacturer (ODM) steht dem Auftraggeber ein zusätzliches Entwicklungsteam zur Verfügung. Sie erhalten hier auch bei technischen Fragen, wie der Materialauswahl, dem Formenbau und Montageplänen Hilfe.

  • Variable Nachfrage: Im Idealfall ermöglicht die Auftragsfertigung eine Skalierung der Chargengröße nach Wunsch. Jede Vereinbarung deckt eine bestimmte Produktmenge ab. Idealerweise können weitere Chargen entsprechend der Nachfrage problemlos beim Hersteller in Auftrag gegeben werden. Vertragshersteller gewähren oft Rabatte auf Basis der Mindestbestellmenge oder der geschätzten Jahresnutzung. Eine große Fabrik in China fängt typischerweise bei 5000 Einheiten an und/oder strebt eine Gesamtproduktion im Wert von ungefähr einer Million USD pro Kunde an.

Risiken der Auslagerung an Vertragshersteller

Die Produktionsauslagerung an Vertragshersteller hat zwar Vorteile, birgt aber auch Risiken.

  • Veränderungen des Produkts: Der Vertragshersteller kann mit seinen Anlagen und Mitarbeitern das Produkt nicht immer wie von Stückliste, Skizzen und Prototypen vorgegeben fertigen. Je nach Projekt kann der Vertragshersteller das CAD-Modell geringfügig abändern oder eigene Versionen entwickeln, um die Produktion einfacher und kostengünstiger zu gestalten. Die wichtigsten Designfeatures müssen unbedingt gemeinsam besprochen werden, bevor sich herausstellt, dass eine Entformungsschräge, Schnappverbindung oder Farbe nicht den Erwartungen entspricht.

  • Abweichungen in der Qualität: Es muss unbedingt überprüft werden, ob der Vertragshersteller bei Produktion und Tests die Konformitätsnormen erfüllen kann, etwa die Vorschriften von CE, RoHS, UL, ETL, CSA und FDA. Wenn spätere Überarbeitung früh verhindert werden kann, sparen Sie sich den Großteil der Kosten. Außerdem müssen die Normen für die Form abgesprochen werden, vor allem, wenn diese Form zur späteren Skalierung in einer Fabrik im Ausland genutzt werden soll.

  • Plagiate: Selbst wenn mit der Vereinbarung begleitend eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterschrieben wird, können Fertigungsmitarbeiter relativ leicht vertrauliche Informationen entwenden oder das Produkt sogar für den eigenen Markt kopieren. Um dies zu vermeiden, gilt es, die Fabrik zu besuchen und mit der Unternehmenskultur vertraut zu sein. Statt CAD-Dateien im Originalformat sollten Konvertierungen wie IGES- und STEP-Dateien versendet werden. Manchmal werden Produktkomponenten zur Einholung von Kostenvoranschlägen separat an unterschiedliche Zulieferer geschickt, um das vollständig montierte Produkt geschützt zu halten. Empfehlenswerter ist jedoch, sich um einen vertrauenswürdigen Vertragshersteller zu bemühen, der den gesamten Fertigungsprozess übernehmen kann.

  • Lange Durchlaufzeiten: Für Produkte aus Asien ist eine Lieferzeit von 90 Tagen nicht ungewöhnlich. Eine Verschiffung dauert mindestens einen Monat. Die Luftfracht ist schneller, aber kostspielig und umweltschädlich. Der Bahnversand ist eine bessere Alternative, insofern die nötige Infrastruktur vorhanden ist. Zusätzlich fällt es schwerer, auf Störungen in der Lieferkette zu reagieren, da dies in der Hand des Vertragsherstellers liegt. Auch Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede können zu Verzögerungen führen. Nehmen wir das chinesische Neujahrsfest als Beispiel. Es beginnt theoretisch Mitte Februar und dauert etwa drei Wochen an, in der Praxis nehmen sich Mitarbeiter aber über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg frei, um ihre Familien zu besuchen. Dies ist aus unternehmerischer Sicht schwer kalkulierbar und erfordert sorgfältige Projektplanung.

  • Intransparente Preise: Bei der Auftragsfertigung versuchen statt einem Unternehmen, zwei Unternehmen Gewinn zu machen. Dies kann sich in den Herstellungskosten (COGS) für das Endprodukt niederschlagen. Fabriken erheben oft zusätzliche Gebühren für Arbeits- und Gemeinkosten sowie ihren Gewinn. Diese können bis zu 30 % des ursprünglichen Angebotspreises betragen. Sollte der Käufer die Verantwortung für den Versand übernehmen, so entstehen zusätzliche Versandkosten. Schließlich müssen Sie noch die Kosten für Probeexemplare sowie die Werkzeugbestückung für erste Versuche und Modelle berücksichtigen, die vor Beginn der Produktion anfallen.

  • Langfristige Bindung: Vertragshersteller bevorzugen langfristige Geschäftsbeziehungen und werden Folgebestellungen und zukünftige Projekte erwarten. Partner, die eine kontinuierliche Zusammenarbeit in Aussicht stellen, erhalten Priorität.

  • Entfernung: Die Anreise aus Europa oder den USA für einen Besuch bei einem Vertragshersteller in China dauert 12 bis 48 Stunden. Eine einwöchige Reise für Fabrikbesuche kostet Ihr Unternehmen ungefähr 1600 bis 4000 EUR pro Person. 

  • Kulturelle Unterschiede: Ein großes Hindernis auf dem Weg zum Erfolg im Ausland ist die Missachtung kultureller und geschäftlicher Gepflogenheiten. Man sollte das entsprechende Land nicht mit dem Herkunftsland vergleichen, sondern sich die Zeit nehmen, die Abläufe dort nachzuvollziehen. Beispielsweise unterscheiden sich die Länder dahingehend, welche Bedeutung Konsens und Hierarchien haben. In Asien ist es unverzichtbar, Zeit für den Beziehungsaufbau durch persönlichen Kontakt aufzuwenden. Direkte Konfrontationen und „Nein“ sagen werden vermieden, um das Gesicht zu wahren. Insofern sollte ein „Ja“ eher als Kenntnisnahme statt als Zustimmung ausgelegt werden. Unternehmen schicken auch, um ihren guten Ruf zu wahren, eventuell die Person, die am besten Englisch spricht, anstatt der zuständigen Führungskraft oder der, mit dem meisten Verhandlungsgeschick. So können beim Erarbeiten einer Vereinbarung unvorhersehbare Hürden entstehen. Es gelten gewisse Verhaltensregeln für Geschäftsessen, die Begrüßung, den Austausch von Visitenkarten, wer wo im Raum sitzt, und die Kleiderordnung. Wenn Sie in einer Region zum ersten Mal Geschäfte führen, empfiehlt sich die Anstellung eines Dolmetschers oder muttersprachlichen Beraters, um die kulturellen und sprachlichen Differenzen zu überbrücken.

Fünf Schritte zur Auswahl eines Vertragsherstellers

1. Vertragshersteller finden

Sobald Ihr Produkt im Lauf mehrerer Phasen der Prototypenfertigung Gestalt annimmt, ist es an der Zeit, Kandidaten für den Vertragshersteller zu finden. Es gibt mehrere Onlineportale, aber über persönliche Netzwerke und auf Messen können Sie direkter Kontakt knüpfen.

Es folgen einige beliebte Möglichkeiten, den richtigen Vertragshersteller zu finden.

  • Messen, wie die berühmte Kanton-Messe in China, die Hannover Messe in Deutschland, die IMTEX Indien und MODEX USA

  • Beraterunternehmen im Fertigungsbereich

  • Online

    • Alibaba, der größte weltweite Fertigungsmarktplatz. Bietet kurze Kommunikationswege und steht allen offen.

    • Europages ist ein europäischer Business-to-Business-Marktplatz.

    • Kompass ist eine Liste weltweiter Business-to-Business-Hersteller.

    • Made In China umfasst chinesische Zulieferer von Produktkomponenten.

    • MFG.com ist ein Marktplatz für die kundenspezifische Fertigung.

    • ThomasNet

    • Yellow Pages für Unternehmen in den USA
    • Yell für Unternehmen im Vereinigten Königreich

    • Rosfirm für Produkte und Zulieferer aus Russland

    • Solostocks für Produkte und Anbieter aus Lateinamerika
  • Ihr persönliches Netzwerk

2. Qualitative Bewertung

Wählen Sie nach der Orientierungsphase fünf bis zehn Vertragshersteller als mögliche Partner. Abgesehen vom Gesamteindruck sollten Sie sich dabei an bestimmten Auswahlkriterien orientieren. Das Team entscheidet, wie wichtig jedes Kriterium ist, und die möglichen Vertragshersteller werden anhand einer Entscheidungsmatrix bewertet. 

Es folgen Beispiele für diese Auswahlkriterien.

  • Herstellungs-/Gesamtkosten: Hier werden Werkzeugbestückung, Probeexemplare, Prototypen, Nullserien, Einkauf von OEM-Teilen, Individualisierung, Verpackung, Versand, Zölle und Zahlungskonditionen berücksichtigt. Wenn die Gesamtkosten niedriger sind als die betriebsinternen erhöhten Arbeits- und Gemeinkosten, bietet sich das Outsourcing an.

  • Kompatibilität der Unternehmensgröße: Ein Vertragshersteller ist unter Umständen nicht auf Ihr Projekt eingestellt, wenn Sie der größte Kunde sind. Umgekehrt wird Ihr Projekt eventuell nicht priorisiert, wenn Sie der kleinste Kunde sind.

  • Produktangebot: Übereinstimmung in den Zielen, der Branche und der Produktaufstellung. Wenn der Vertragshersteller bereits Produkte gefertigt hat, die Ihrem ähneln, besteht eher Aussicht auf Erfolg.

  • Kommunikation: Reagiert der Vertragshersteller zeitnah auf E-Mails? Lassen sich Telefonkonferenzen problemlos vereinbaren? Bestehen bedeutende Sprachhürden? Wenn die Kommunikation in der Anfangsphase bereits schwierig verläuft, weist das darauf hin, dass etwaige Probleme nicht einfach zu lösen sein werden.  

  • Geschäftsbeziehung: Wenn Ihr Unternehmen in einer Region oder mit einem bestimmten Hersteller zum ersten Mal Geschäfte führt, müssen Sie bedenken, wie ausgeprägt die kulturellen Differenzen sind und wie viel Zeit der Aufbau dieser neuen Geschäftsbeziehung in Anspruch nehmen wird.

  • Potenzial zur Skalierung: Wichtige Faktoren sind hier die Automatisierung, die Unternehmensgröße, Mengenrabatte und Möglichkeiten zur Erweiterung der Anlagen bei wachsender Nachfrage.

  • Versand: Prüfen Sie verschiedene Versandalternativen für die Regionen, in denen Ihre Produkte wahrscheinlich verkauft werden.

  • Lieferkette: Kann der Vertragshersteller die meisten Komponenten unter einem Dach fertigen? Können alle dafür notwendigen Teile ohne Weiteres aus der Region bezogen werden?  Denken Sie an Komponenten, Chassis, Gehäuse, Leiterplatten, Software, Verpackung, Kabel und Dokumentation.

  • Anlagen: Verfügt der Vertragshersteller über die richtigen Geräte zur Fertigung Ihres Produkts? Diese müssen nicht immer die Modernsten sein, aber sind die nötigen Technologien für die Produktion, die Nachbearbeitung, die Montage usw. vorhanden? Sind gut dokumentierte Zeitpläne für die Wartung und Kalibrierung vorhanden? Wird das Inventar gut verwaltet? Werden dieselben Geräte für mehrere Projekte verwendet? Ist das Unternehmen imstande, etwaige auftretende Probleme effektiv zu lösen? Ist die nötige Expertise vorhanden, um das Potenzial der Fertigungsanlagen voll auszuschöpfen? Werden den Mitarbeitern in der Fertigung gute Schulungsprogramme angeboten?

  • Qualität: Einhaltung von Qualitätsstandards, wie ISO 9001 und CMF-Spezifikationssystemen (Color, Material, Finish), wie Pantone für Farben und SPI, Mold-Tech, YS und VDI für die Oberflächenbeschaffenheit.

  • Zusätzliche Dienstleistungen: Einige Vertragshersteller bieten Unterstützung bei DFM, Kostenreduzierung, Produktoptimierung, Komponentenbeschaffung und mehr.

  • Geistiges Eigentum: Die Sicherheit Ihres geistigen Eigentums.

  • Politische Risiken: Erhöhte Zölle oder sonstige Barrieren auf Grund von Handelskriegen.

Wir haben ein Beispiel für eine Vergleichsmatrix erstellt, das auf der fiktiven Stückliste für die Airpods Pro von Apple basiert, also derselben Vorlage, die wir in unserem Leitfaden zur Stückliste verwendet haben.

In der Tabelle „CM Comparison“ sind potenzielle Fertigungspartner nach ihrer Wichtigkeit und anhand verschiedener Kriterien und Gewichtungen sortiert aufgeführt. So erhalten Sie einen Überblick und können Vorurteile aus dem Raum schaffen, die eventuell durch eine Überbewertung des niedrigsten Preises, des größten Herstellers oder der attraktivsten Unternehmenskultur entstehen. Sie können den Ablauf demokratisch gestalten, indem Sie die leitenden Mitglieder des Managements und der Entwicklerteams an der Bestimmung der Auswahlkriterien und ihrer Gewichtung beteiligen. 

Ein solcher Vergleich zeigt auch eventuelle Warnzeichen. Beispielsweise ist die fiktive Black Wizard Factories auf Platz drei und bietet alle Dienstleistungen an, sollte aber wegen der unflexiblen Kommunikation ausgeschlossen werden. Dieser Tabelle zufolge wäre die fiktive Hodon Group die beste Wahl, auf Grund der kurzen Kommunikationswege, der modernen Anlagen, des Automatisierungspotenzials und der proaktiven Unternehmenskultur. 

3. Angebotsanfragen verschicken

Angebotsanfragen werden typischerweise an die drei bis fünf besten Kandidaten auf der Liste von fünf bis zehn verschickt, nachdem eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet wurde. Bei großen Projekten reicht es nicht, die CAD-Daten zu verschicken. Die Angebotsanfrage muss detaillierte Beschreibungen enthalten, damit das Projekt für den Vertragshersteller nachzuvollziehen ist.

Das Dokument beginnt mit einem Anschreiben, das einen Überblick des Unternehmens, des Teams, der Finanzierung, eine Beschreibung des Projekts und seine Entwicklungsphase enthält sowie Angaben dazu, was vom Vertragshersteller zu leisten ist. Weiterhin werden Kriterien aufgeführt, denen die Fabrik entsprechen muss.

Der zweite Teil der Angebotsanfrage enthält so viele Informationen wie möglich über das Produkt: Eine Stückliste als Tabelle, Skizzen, CMF-Spezifikationen, einen Prototypen, Gerber-Dateien im Fall von Elektronik sowie die vorhergesehenen Margen. 3D-gedruckte Prototypen können hier ein gutes Hilfsmittel sein, um ein Produktdesign zu vermitteln. 

Schließlich sollte die Anfrage noch einen Zeitplan für alle Meilensteine auf dem Weg zur Produktion enthalten.

4. Angebote verhandeln

Sobald Angebote eingeholt wurden, sollten die Preise für alle Artikel auf der Stückliste in eine Vergleichstabelle eingetragen werden, damit sie einzeln bearbeitet werden können. In unserem Beispiel ist das die Tabelle „Price Comparison“.

Die Gesamtherstellungskosten hängen primär von Produkt-, Fix- und Arbeitskosten ab. Hier ist die Zelle „Volume“ in der Tabelle wichtig: Wenn Sie hier die Bestellmenge ändern, werden Herstellungskosten automatisch aktualisiert. Fixkosten verlieren schließlich mit steigender Bestellmenge an Bedeutung. So erhalten Sie zusätzliche Hinweise darauf, welcher der beste Vertragshersteller ist, falls die Produktion eventuell zukünftig hochskaliert werden soll.

Nach Erhalt der Angebote bewährt es sich, die Hersteller zu kontaktieren, um die Angebote zu besprechen und Gesamtpreise zu reduzieren. Zur Senkung der Gesamtkosten ist es sinnvoll, sich auf die drei bis fünf teuersten Komponenten zu konzentrieren. Hier handelt es sich um den kleinen Teil des Gesamtpakets, der den größten Unterschied bewirkt. 

Auch eine Vereinbarung zu einer Einzelquellenbeschaffung kann ein Argument für das auftraggebende Unternehmen sein. Das bedeutet, dass im Gegensatz zur Monopolbeschaffung, bei der für ein bestimmtes Teil nur ein Hersteller verfügbar ist, der Hersteller eine exklusive Lizenz zur Herstellung des Produkts erhält. 

Sie können den Hersteller auch wissen lassen, dass Sie kostengünstigere Angebote erhalten haben, um einen Anreiz für ein vorteilhafteres Angebot zu schaffen. Zusätzlich zum Preis für die Komponenten können Sie auch bessere Garantieleistungen, Unterstützung, Transport und Zahlungspläne aushandeln. Jedes Unternehmen verhandelt anders, also bestimmt immer die jeweilige Situation, wie viel Flexibilität bei der Vereinbarung besteht.

5. Der Fabrikbesuch

Bevor Sie sich entscheiden, welchem Hersteller Sie einen Vertrag anbieten, sollten Sie die Anlagen einer bis drei Kandidaten unbedingt mindestens einmal vor Ort besuchen. Die Gegebenheiten im Ausland können die Perspektive auf eine Zusammenarbeit stark verändern. Ein Fabrikbesuch hat viele Vorteile:

  • Sie treffen das Team und sehen, wie engagiert es ist.

  • Sie können Produktexemplare aus der Fabrik begutachten.

  • Die Anlagen und Geräte selbst zu sehen, vermittelt einen guten Eindruck der Expertise.

  • Sie bekommen eine Vorstellung der Arbeitsbedingungen, finanzieller Stabilität und Achtung geistigen Eigentums.

  • Sie erhalten direkten Kontakt zum leitenden Management.

Üblicherweise wird ein Geschäftsessen zwischen den Vertretern des auftraggebenden Unternehmens und den Inhabern oder Führungskräften der Fabrik organisiert. Hier kann man sich nicht nur besser kennenlernen, sondern auch mit Hinblick auf die Unterzeichnung einer Vereinbarung für Fertigungsleistungen diskutieren. Sie sollten dabei jemanden aus der Einkaufsabteilung zur Verhandlung schicken sowie einen Dolmetscher und jemanden aus der technischen Abteilung für entsprechenden Rat zum Produkt.

Zusammenfassung

Die Auswahl eines Vertragsherstellers erfordert Sorgfalt, Expertise und ein engagiertes Team. Eine solche Zusammenarbeit ist langfristig und facettenreich und nicht etwa wie ein Automat, der nach Eingabe von Designskizzen und Finanzierung fertige Produkte ausgibt. 

Eine Angebotsanfrage ist nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer unterzeichneten Vereinbarung. Kommunikation, Verhandeln, Teamwork, Entscheidungsmatrizen und Fabrikbesuche sind wichtige Elemente.