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Wie 3D-Druck die lebensrettende Operation eines komplexen Wirbelsäulensarkoms ermöglichte

Präoperative Vorbereitung ist grundlegend für eine erfolgreiche Operation und optimale Patientenergebnisse. Die Einführung 3D-gedruckter Anatomiemodelle revolutionierte die Art und Weise, wie sich Chirurgen die wichtigen Einblicke verschaffen, die vor komplexen Operationen erforderlich sind. So lassen sich bessere Patientenergebnisse erzielen. Mit der Hilfe von Formlabs und Axial3D konnte Alistair Irwin den Tumor eines jungen Patienten erfolgreich entfernen. 

Seit fünf Jahren ist Irwin ein beratender orthopädischer Chirurg am Royal Victoria Infirmary in Newcastle Upon Tyne, einem von nur vier Zentren in England, die auf Wirbelsäulensarkome spezialisiert sind. Irwin führt alle Aspekte von Wirbelsäulen-Operationen bei Erwachsenen einschließlich minimalinvasiver Techniken durch. Sein besonderes Interesse gilt Wirbelsäulentumoren, wie dem Wirbelsäulensarkom, das im folgenden Fall beschrieben wird.

Wie das Team Tumore bewertet

Das Team in Newcastle Upon Tyne entfernt ca. 10 Wirbelsäulensarkome pro Jahr. In einem Fall, der nur bei einem von einer Million Personen auftritt, war ein junges Mädchen aus Newcastle von einer äußerst seltenen und aggressiven Krebsart betroffen, die schnell von der Burstwirbelsäule und der Brustwand in die Brusthöhle und das Mediastinum wuchs.  Nach der Biopsie wurde ein mesenchymales Chondrosarkom festgestellt, ein Tumor, der Knorpel bildet. Er zerstörte schnell die lokalen Strukturen und führte zu Schäden. Ohne Therapie hätte er katastrophale Folgen: Er würde auf wichtiges Gewebe (wichtige Venen, Arterien und sogar auf das Herz) oder auf das Rückenmark drücken und zu Schäden an Nerven und der Motorik führen. 

Wirbelsäulensarkome sind selten und erfordern bei der Behandlung ein hochgradig spezialisiertes Team aus Onkologen, Radiologen, Pathologen und Chirurgen. Im vorliegenden Fall musste wegen Ort, Größe und Komplexität des Tumors ein chirurgisches Team aus plastischen, pädiatrischen, Herz-Thorax-, Kinderherz- und Wirbelsäulenchirurgen eingesetzt werden. Aufgrund der Komplexität war die Planung und Visualisierung der anatomischen Lage von größter Bedeutung.

Dieser spezielle Tumor lässt sich für gewöhnlich nur durch eine radikale Operation heilen. Aufgrund des junge Alters der Patientin und der Aggressivität des Tumors wurde jedoch unter Betreuung eines pädiatrischen Onkologen eine unterstützende Chemotherapie begonnen. Leider wuchs der Tumor weiter.

So gab es für das Team nur noch zwei Optionen. Entweder es erklärte den Tumor aufgrund seiner Größe und der schwierigen Lage (hinter dem Herz, nahe der Lungen, dem Bronchialbaum, der Aorta und der Vena azygos bei der Wirbelsäule) als inoperabel oder es versuchte, den Tumor zu entfernen. 

Diese Art von Tumor muss in einer einzigen OP entfernt werden, da er wieder wachsen kann, wenn er teilweise entfernt wird. Somit war die einzige Möglichkeit zum Entfernen des Tumors ein einziger chirurgischer Eingriff mit der Entnahme von genug gesundem umgebenden Gewebe, um sicherzustellen, dass der Tumor vollständig entfernt wurde.

Die größte Schwierigkeit für das Team war es nun, zu erfahren, welche Strukturen genau betroffen waren. Selbst mit detaillierter MRT- und CT-Bildgebung und transösophagealer Echokardiographie war es unmöglich für das Team, mit Sicherheit zu bestimmen, ob der Tumor ins Herz oder den Vorhof wuchs oder ob die Aorta und die Vena azygos betroffen waren. 

Um die Anatomie besser beurteilen zu können, führte einer der Herz-Thorax-Chirurgen eine Kamera in die Brust der Patientin ein, um eine bessere Sicht zu erhalten. Jedoch verhinderte die Größe des Tumors einen genauen Blick auf die Anatomie und die Strukturen, wie das Herz und die Aorta. Das Risiko, den Tumor zu entfernen, ohne ihn und die umliegende Anatomie vollständig zu kennen, war einfach viel zu groß. 

Wieso das OP-Team auf 3D-Druck setzte

3D-Druck löst das Problem

Das chirurgische Team, die Patientin und ihre Familie verstanden alle, dass es sich um eine große Operation mit hohen Risiken handelte und eine ca. 50%ige Wahrscheinlichkeit von erheblichen neurologischen Schäden und Lähmungserscheinungen und eine genauso große Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Patientin die OP aufgrund von Komplikationen nicht überleben würde. Wenn das Team mit der Operation fortfahren würde, wäre ein vollständiges Bild der Anatomie mit dem Tumor in-situ erforderlich.

3D-Modellierungssoftware konnte dem Team nicht die erforderliche Sicherheit und den benötigten Detailgrad liefern, und das Team wusste immer noch nicht, wie der Eingriff ablaufen würde. Hier traten Axial3D und Formlabs auf den Plan.

Das Team stellte ein physisches 3D-gedrucktes Modell her, um die 2D-Scans zu ergänzen und die Planung mit tieferen Einblicken in die Patientenanatomie zu verbessern. Die Planung mit dem 3D-Modell war besonders wichtig, da die Chirurgen Strukturen, wie das Herz und die Aorta, entfernen konnten, um den Bereich dahinter deutlich besser zu verstehen. Dies war mit Scans allein unmöglich.

Chirurgen sind es gewohnt, Scans zu betrachten und sich dann ein dreidimensionales Bild vorzustellen. In diesem Fall verwendeten die Chirurgen das 3D-Modell, um sich bei ihren Entscheidungen leiten zu lassen. Darum war die Genauigkeit des 3D-Modells unglaublich wichtig. Die ausgefeilten Algorithmen für maschinelles Lernen und die belastbaren Validierungen von Axial3D sowie die detailtreuen 3D-Drucker von Formlabs stellten sicher, dass die Chirurgen ein auf den Mikrometer genaues Modell erhielten, das auf den Scans der Patientin basierte.

Aufgrund des riesigen Ausmaßes des Tumors und des betroffenen umgebenden Gewebes, das in einem einzigen 3D-Druck visualisiert werden musste, hat Axial3D den neuen Formlabs-3D-Drucker Form 3BL verwendet. Der Drucker ist mehr als fünfmal so groß wie ein standardmäßiger Desktop-Drucker und ermöglichte es dem Team, den gesamten Torso und die umgebende Anatomie der Patientin zu drucken, um dem klinischen Team eine exakte und umfassende Darstellung zu liefern.

Keine Spekulationen bei der präoperativen Vorbereitung

Da das OP-Team sich für diese Details und genaue Modelle auf Axial3D und Formlabs verlassen konnte, hatte es ein deutlich klareres Bild der Anatomie vor Augen. So bestand schon lang vor dem Eingriff kein Grund mehr für Spekulationen.

Das Modell wurde zu einem wichtigen Werkzeug, das dem Team half, genau zu bestimmen, welche Rippen den Tumor kreuzten und wie nah an den Rippen oder der Wirbelsäule das Team schneiden musste. Da das Team vorher am Modell üben konnte, hatte es viel Einblick in die Patientenanatomie und die Zuversicht, den Eingriff ausführen zu können.

Wert eines physischen Modells

„Natürlich hat man auch ohne 3D-Modell immer noch eine Vorstellung davon, was man machen möchte und wo die Sicherheitsmargen sein müssen, doch wenn man das Modell vor sich hat, ist die Zuversicht deutlich größer. Wir können auf jeden Fall sagen, dass die Planungszeit reduziert und die Genauigkeit der Planung erhöht wird“, so Irwin.

„Es ist benutzerfreundlich, effizient und schnell. Die Modelle von Axial3D sind sehr gut, genau und benutzerfreundlich. Der Service ist ziemlich nahtlos und effizient im Vergleich zu anderen Innovationen, die sehr mühsame, komplizierte und langwierige Prozesse mit sich bringen können. Das Modell, das so entstand, war sehr intuitiv, sehr interaktiv und nahtlos, wodurch wir die Dinge schnell umsetzen konnten. Ich war sehr beeindruckt davon, wie schnell Axial3D komplexe Anfragen bearbeiten kann“, meinte Irwin. 

Das Ergebnis ist für die Patientin unglaublich positiv. Obwohl sie nach dem Eingriff noch einige Wochen im Krankenhaus bleiben musste, hatte sie bei der Entlassung keinerlei Anzeichen von Schwäche oder Lähmung. Der Blutverlust während der OP blieb innerhalb der normalen Grenzen. 

Das beste Ergebnis des Modells war die genaue Entfernung des Tumors (bestätigt durch einen pathologischen Befund). Nachdem tumorfreie Sicherheitsmargen festgestellt wurden und die Vitalwerte der Patientin stabil waren, durfte sie mit ihrer Familie nach Hause. Mit Hilfe des 3D-gedruckten Modells wurde sie mit der positiven Botschaft aus der Onkologie entlassen, dass das Team den Tumor vollständig entfernen konnte.