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Do-it-yourself-Spritzguss: Wie Sie betriebsintern Teile im Spritzgussverfahren fertigen, mit Formen aus dem 3D-Drucker

Spritzguss als Fertigungsprozess ist allgegenwärtig. Der überwiegende Teil der Kunststofferzeugnisse weltweit wird heute im Spritzgussverfahren hergestellt. Während das Verfahren ideal für große Produktionsmengen sein mag, sind herkömmliche CNC-gefräste Metallformen aufgrund ihrer hohen Kosten und langen Durchlaufzeiten für kleine Quantitäten untragbar.

Formen aus dem 3D-Drucker sind eine zeitsparende und kostengünstige Lösung für die Prototypenerstellung oder die Produktion kleiner Stückzahlen (etwa 10–100 Teile). Darüber hinaus erlaubt dies einen agileren Fertigungsansatz, bei dem Ingenieure und Designer Formenentwürfe testen und ganz einfach abändern können. So lassen sich deutlich schneller neue Versionen eines Designs entwickeln, während die Kosten nur einen winzigen Bruchteil herkömmlicher CNC-Bearbeitung betragen.

Mit einem Stereolithografie (SLA) 3D-Drucker wie dem Form 3+ können Sie schnell und einfach maßgeschneiderte Formen erstellen und dabei die Vorteile von 3D-Druck und Spritzguss gleichermaßen nutzen.

Dieser Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt durch den Kunststoffspritzguss mit Formen aus dem 3D-Drucker und gibt Ihnen alle erforderlichen Hilfsmittel sowie Tipps an die Hand.

Injection molding with 3D printed molds
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Rasches Spritzgießen von Kleinserien mit Formen aus dem 3D-Drucker

Dieses Whitepaper beschreibt Methoden und Richtlinien für die Herstellung 3D-gedruckter Formen mittels Stereolithografie-Druck (SLA) und deren Einsatz im Spritzgussverfahren zur Reduzierung der Kosten, der Durchlaufzeiten und der Möglichkeit, bessere Produkte auf den Markt zu bringen.

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Was Sie für Do-it-yourself-Spritzguss benötigen

Die Einrichtung von Spritzgussverfahren vor Ort in Ihrem Unternehmen benötigt eine gewisse Investition. Es erfordert Zeit und Geld, die geeignete Ausrüstung zu erwerben und fachgerecht bedienen zu können. Allerdings liegen die Kosten in vielen Fällen noch immer unter denen einer einzigen Metallform. Wenn Sie das Verfahren also einmal eingerichtet haben, wird der ursprüngliche Aufwand durch die Zeit- und Kostenersparnis mühelos ausgeglichen.

Was Sie brauchen:

  • Einen hochleistungsfähigen SLA-3D-Drucker für den Desktop, wie den Form 3 von Formlabs. Der Form 3 kann Formen mit hoher Genauigkeit und Detailschärfe sowie einer glatten Oberflächenbeschaffenheit erzeugen, mit denen Sie hochwertige Teile im Spritzgussverfahren herstellen. Neben Spritzgussformen eignen sich SLA-3D-Drucker auch für die Prototypenfertigung und weitere Anwendungen in der Produktentwicklung und sind damit ohnehin eine lohnenswerte Investition. 

  • Ein 3D-Druck-Material, das den hohen Temperaturen und dem starken Druck auf die Form während des Spritzgussvorgangs standhält. High Temp Resin für Formlabs' SLA-3D-Drucker weist eine Wärmeformbeständigkeitstemperatur von 238 °C bei 0,45 MPa auf und ist damit für Spritzguss ideal.

  • Eine Benchtop-Spritzgießmaschine wie das Gerät Galomb Model-B100 oder die Holipress. Auf dem Markt steht eine ganze Reihe von Benchtop-Spritzgießmaschinen unterschiedlicher Preisklassen zur Verfügung. Viele der kostengünstigeren Modelle funktionieren mit handbetriebenem Kolben, während bei teureren Geräten oft Schraub- oder Druckluftssysteme zum Einsatz kommen. Einige Formlabs-Kunden haben auch Systeme von  MinijectorMorganAPSX oder Micromolder empfohlen. Aus automatisierte Geräte für den Desktop wie die Produktlinie von Babyplast sind gute Alternativen für die Massenproduktion kleiner Teile.

  • Ein Kunststoffgranulat Ihrer Wahl.

  • Eine CAD-Software wie Blender (kostenloser Download hier) zum Entwerfen des Formeinsatzes.

Stellen Sie vor dem Kauf sicher, dass die gewählte Spritzgießmaschine Ihren Produktionsanforderungen entspricht. Für die Herstellung größerer Teile sind nach wie vor industrielle Prozesse erforderlich. Das hier vorgestellte Do-it-yourself-Spritzgussverfahren ist ideal für die Herstellung kleiner Teile in niedrigen Stückzahlen.

Eine Form und gekapselte Komponente, die mit einem 3D-Drucker von Formlabs anhand des hier vorgestellten Do-it-yourself-Spritzgussverfahrens hergestellt wurden.

Eine Form und gekapselte Komponente, die mit einem 3D-Drucker von Formlabs anhand des hier vorgestellten Do-it-yourself-Spritzgussverfahrens hergestellt wurden. 

Injection Molding webinar
Webinar

Spritzgussteile in unter 24 Stunden? Leitfaden für schnellen Spritzguss in Kleinserie

In diesem Webinar lernen Sie, wie Sie mit Formen aus dem Stereolithografie-3D-Drucker (SLA) die Kosten Ihres Spritzgussverfahrens senken, Durchlaufzeiten verkürzen und bessere Produkte auf den Markt bringen.

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Do-it-yourself-Spritzguss Schritt für Schritt

1. Form in CAD-Software entwerfen

Wählen Sie zuerst die CAD-Software aus, mit der Sie den Formeinsatz entwerfen möchten. In diesem Leitfaden verwenden wir die Open-Source-Software Blender, der Ablauf dürfte aber mit jeder anderen CAD-Software sehr ähnlich sein.

Laden Sie die Design-Dateien für Blanko-Formeinsätze herunter. Diese dienen als Grundlage für die Erstellung ihres eigenen Formeinsatzdesigns. Diese Designs lassen sich leicht skalieren, sodass Sie für die meisten Spritzgießmaschinen und Formrahmen passen. Alternativ können Sie mithilfe der Hohlraumdiagramme der Mutterformrahmen auch Ihre eigenen Formeinsätze erstellen.

Importieren Sie die beiden Formhälften des Formkerns und das 3D-Design, das Sie herstellen möchten, in Ihre CAD-Software.

In Blender können Sie eine Hälfte der Form im „Scene“-Explorer (Szene) mithilfe des Augen-Symbols ausblenden. Nachdem Sie alles eingerichtet haben, setzen Sie die beiden Hälften der Form im Menü „Object“ (Objekt) auf den Draw Type „Wire“ (Zeichentyp „Drahtgitter“), wie in der Abbildung unten gezeigt.

Spritzguss

Nun können Sie Ihre Form positionieren. Stellen Sie sicher, dass das Objekt während des Spritzgussvorgangs vollständig mit dem Zulauf des flüssigen Kunststoffs zusammenläuft. Verwenden Sie dazu den orthographischen Modus, den Sie über „Toggle perspective/Ortho“ (Perspektive umschalten/Ortho) aktivieren.

Blenden Sie den aktuellen Formkern aus und aktivieren Sie die andere Seite. Führen Sie den oben beschriebenen Vorgang erneut durch, um sicherzustellen, dass das Objekt vollständig mit dem Zulauf der zweiten Hälfte des Formkerns zusammenläuft. Anschließend können Sie mithilfe der Funktion „Boolean difference“ (Boolesche Differenz) in Blender die Fläche der beiden sich überschneidenden Objekte abziehen.

Wählen Sie die erste Hälfte Ihres Objekts aus und wählen Sie im Menü „Modifiers“ (Modifikatoren) die Option „Boolean“ (Boolesche Operationen) aus. Wählen Sie das Objekt aus, das Sie ausschneiden, und stellen Sie sicher, dass der Operator „Difference“ (Differenz) ausgewählt ist. Wenden Sie den Operator an. Wiederholen Sie den Vorgang anschließend für die andere Seite. Die Bildschirmanzeige sollte ähnlich aussehen wie die Abbildung unten. Falls Sie hier nicht weiterkommen, können Sie den Leitfaden zum Hinzufügen formschlüssiger Teile zu einem Design (auf Englisch) zurate ziehen.

Spritzguss blender

Jetzt ist Ihre Form druckfertig. Exportieren Sie beide Hälften einzeln. Achten Sie dabei darauf, dass im Exportmenü von Blender die Option „Selection Only“ (Nur Auswahl) ausgewählt ist.

2. Form drucken

Für den 3D-Druck der Form müssen Sie ein Material auswählen, das den hohen Temperaturen und dem starkem Druck auf die Form standhält, die während des Spritzgussvorgangs auftreten. 

Mit einer Wärmeformbeständigkeitstemperatur von 238 °C bei 0,45 MPa hält High Temp Resin von Formlabs der Schmelztemperatur vieler Thermoplaste problemlos stand.

Mit PreForm, der Druckvorbereitungssoftware für die 3D-Drucker von Formlabs, lässt sich der Druck in wenigen Sekunden einrichten. Falls Ihr Formentwurf Stützstrukturen beim Drucken erforderlich macht, richten Sie die Formhälften in PreForm so aus, dass die Hohlräume nach oben zeigen. Dadurch wird die Nachbearbeitung vereinfacht und eine hohe Oberflächenqualität Ihrer Spritzgussteile sichergestellt.

Abhängig von Geometrie und Größe können Sie verschiedene Formen gleichzeitig auf der Konstruktionsplattform drucken und so die Druckeffizienz erhöhen.

3. Kunststoffteile im Spritzgussverfahren herstellen

Nachdem Sie Ihre Form entworfen und im 3D-Druckverfahren gedruckt haben, können Sie mit Ihrer Benchtop-Kunststoffspritzgießmaschine die Spritzgussteile herstellen. 

Für den Formenbau steht eine Reihe unterschiedlicher Materialien zur Auswahl. Wir haben folgende Materialien getestet:

  • LDPE
  • PP
  • TPE
  • PLA
  • ABS
  • HDPE
  • EVA
  • PS

Berücksichtigen Sie bei der Wahl des Materials die gewünschten Eigenschaften der Spritzgussteile und die Funktionen Ihrer Spritzgießmaschine.

Wenn Sie für den 3D-Druck Ihrer Form High Temp Resin verwenden, können Sie eine Temperatur von bis zu 238 °C anwenden, solange Sie keinen übermäßigen Druck auf die Form ausüben. Bei Formen aus High Temp Resin war für die von uns getesteten Kunststoffe kein temperaturbedingter Verschleiß auf der Formoberfläche festzustellen. 

Nun können Sie schnell und effizient Teile im Spritzgussverfahren herstellen. Befolgen Sie dabei bitte die spezifischen Anweisungen Ihres Spritzgießmaschinenherstellers. Mit High Temp Resin verringert sich aufgrund der hohen Steifigkeit die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Form bei der Entnahme des Teils verformt. Wir empfehlen daher, für die Entnahme von Spritzgussteilen aus harten Kunststoffen (wie z. B. Polystyrol) Formtrennmittel zu verwenden.

Tipps für Designer, die Do-it-yourself-Spritzguss ausprobieren

Bedenken Sie beim Entwerfen einer Form, was sich erfolgreich im 3D-Druck erstellen und auch was sich im Spritzguss gießen lässt. 

Wie Sie genau beim Do-it-yourself-Spritzguss vorgehen, hängt vom gewünschten Design und Volumen ab, aber die folgenden Tipps helfen Ihnen, den Spritzgusserfolg zu steigern.

  • Um sichtbare Drucklinien auf dem Teil zu reduzieren, drucken Sie die Form mit einer kleineren Schichthöhe (50 oder 25 Mikrometer anstelle der Standardschichthöhe von 100 Mikrometern). Bitte beachten Sie, dass sich dadurch die Druckzeit verlängert.

  • Wenn Sie 1 bis 3 Grad Formschräge bei Oberflächen hinzufügen, die senkrecht zur Zugrichtung verlaufen, lässt sich das Teil leichter entnehmen und der Verschleiß der Form wird reduziert.

  • Die Trennflächen können mit feiner Körnung geschliffen werden, um das Auftreten von Graten zu verringern.

  • Gegebenenfalls empfiehlt sich ein Wasserbad, um das Teil schneller zu kühlen und ein Verziehen zu verringern.

  • Geprägte und gravierte Details sollten mindestens 1 mm von der Oberfläche versetzt sein.

  • Fügen Sie beim Design von Formrahmen aus Aluminium 0,125 mm zusätzlich zur Dicke der Formplatten-Rückseite hinzu, um die Kompressionskräfte auszugleichen und vollständige Dichte zu gewährleisten.

3D printed molds for thermoforming
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Formenbau mit 3D-Druck: Sechs Techniken für Prototyping und Produktion

Sind Sie an weiteren Anwendungsmöglichkeiten 3D-gedruckter Formen interessiert? Dieses Whitepaper beantwortet die Frage, welche Formenbauprozesse durch einen betriebsinternen SLA-3D-Drucker erschlossen werden.

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Herstellung von Gussformen mit 3D-Druck

3D-Druck und Spritzguss werden oft als gegensätzliche Verfahren betrachtet, dabei müssen sie sich gar nicht ausschließen. Indem Sie Teile direkt im 3D-Druck herstellen oder 3D-Druck-Formen für die Prototypenerstellung oder die Produktion kleiner Stückzahlen im Spritzgussverfahren verwenden, können Sie die Vorteile beider Technologien nutzen. Dadurch machen Sie Ihren Fertigungsprozess zeit- und kosteneffizienter und können Ihre Produkte schneller auf den Markt bringen.

Möchten Sie mehr über den Spritzguss mit Gussformen aus dem 3D-Drucker erfahren? Laden Sie unser Whitepaper herunter, das Sie Schritt für Schritt durch die Methoden zum Test von Spritzgussformen aus dem 3D-Drucker führt.

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