Als Aaron Sims 1997 dem Regisseur von Men in Black seine Wurmkreaturen zeigte, tickten die Uhren in Hollywood noch anders. Sims arbeitete unter erfahrenen Profis wie Stan Winston und formte die Modelle mit großer Akribie aus Ton.
Diese Modelle, die nur einige Zentimeter groß waren, überzeugten den Regisseur so sehr, dass er entschied, die Würmer, die ursprünglich über 2 m groß sein sollten, auf die Kinoleinwand zu bringen. „Nein, nein, ich mag diese Größe. Ich möchte etwas in die Handlung integrieren, wo diese Charaktere vorkommen“, sagte Barry Sonnenfeld damals. Und so wurden aus einer Idee von Sims die Kultfiguren des Films.
Anlässlich der zweiten Staffel von Stranger Things wirft Formlabs einen Blick hinter die Szenen auf das Design des Demogorgon aus Staffel 1 und die Firma, die für die visuellen Effekte rund um das Monster verantwortlich ist.
„Der große Unterschied heute ist, dass alles digital ist. Alles ist im Computer. Wenn man zu Meetings geht, hat man nur noch das“, so Sims, Gründer und Präsident von Aaron Sims Creative (ASC) , einem aufstrebenden VFX- und Design-Studio im kalifornischen Burbank, das mit großen etablierten Firmen wie Weta und ILM konkurriert.
Der Niedergang der Practical Effects Heute werden physische Modelle und Practical Effects (Jargon für Spezialeffekte, die nicht aus dem Computer stammen) in Hollywood nur noch selten eingesetzt – aber nicht etwa, weil sie nicht mehr attraktiv sind. Enge Fristen, knappere Budgets und höhere Anforderungen führen dazu, dass diese Techniken kaum noch realisierbar sind.
Als die Duffer-Brüder mit der Produktion von Stranger Things für Netflix begannen, wendeten sie sich für das Design des Demogorgon, eines räuberischen Monsters, das eine zentrale Rolle in der Handlung spielt, an ASC. Da sie authentische 80er-Jahre-Science-Fiction-Nostalgie erwecken wollten, taten sie etwas, was im Jahr 2017 in Hollywood nur noch sehr selten geschieht: Sie wünschten einen Pratical Eeffect.
Eine hybride VFX-Strategie Anstatt den Demogorgon vollständig mit praktischen Methoden umzusetzen, schlug ASC eine hybride Herangehensweise vor, bei der physische und digitale Effekte genutzt werden, um den 80er-Jahre-Sci-Fi-Look zu ermöglichen, ohne dabei bei der Handlung Abstriche machen zu müssen.
„Da ich einen praktischen Hintergrund habe, suchen wir immer nach der einfachsten Methode, etwas so wirkungsvoll und realistisch wie möglich zu gestalten, ohne dass es übertrieben wirkt. Da es sich um eine Fernsehserie handelt, muss es schnell gehen“, so Sims.
„Bei Feuer haben wir echtes Feuer aufgenommen. Beim Schleim im Maul des Monsters handelt es sich um eine Computersimulation.“ Es gibt Dinge, die ein Schauspieler in einem Anzug nicht tun kann. „Er wird sich nicht schnell bewegen. Er wird keine Menschen durch einen Wald verfolgen. Das funktioniert einfach nicht. Darum muss man beim Filmen clever vorgehen. Man muss beim Entwurf des Anzugs mitdenken, damit später noch CGI-Effekte eingebaut werden können. Ich denke, dass die echte Erfolgsgeschichte hier war, wie sich die beiden Techniken ergänzten“, so Steffen Reichstadt, der Creative Director von ASC.
ASC hat digitale und physische Techniken eingesetzt, um den Demogorgon zum Leben zu erwecken. Der Schleim auf der Kreatur stammt aus dem Computer. Diese hybride Herangehensweise gibt dem Studio nicht nur die Möglichkeit, beeindruckende Visual Effects unter Zeitdruck zu schaffen. Sie können ihr Handwerk auch mit der reflektierten, auf Teamarbeit ausgelegten Einstellung, die bei so vielen anderen Studios verloren gegangen ist, ausüben. Die digitale Technologie versetzt ASC in die Lage, von Anfang an bei der Ideenfindung dabei zu sein, und spart dem Team Zeit, die sie für kreativere Gespräche nutzen können.
Vom Monster-Briefing zur Gestaltung einer ganzen Welt „Die Duffer-Brüder kamen ursprünglich nur wegen dem Demogorgon zu uns, aber daraus wurde viel mehr. Wir haben schließlich dabei geholfen, die gesamte Parallelwelt, das Upside-Down, und alle verschiedenen Aspekte der Serie zu entwerfen. Aber der Demogorgon war besonders cool. Sie wollten einfach, dass es sich nostalgisch anfühlte, wie in den 80ern, mit einem Typen in einem Anzug“, erinnert sich Reichstadt.
Die Duffer-Brüder wendeten sich ursprünglich nur für das Monster-Design für Stranger Things an Aaron Sims Creative, doch schließlich half die Firma beim Entwurf der gesamten Parallelwelt. Neben dem Anspruch, dass der Demogorgon für echte praktische-Effekte-Nostalgie à la 80er-Jahre sorgen sollte, waren die weiteren Spezifikationen ziemlich weit gefasst. „Es ist ein Zweibeiner mit mehreren Gliedmaßen, eigentlich ein Humanoid, sehr dünn, schlaksig, hat kein Gesicht, aber muss Menschen fressen“, sagt Sims. Das ist gar nicht so außergewöhnlich: Sims sagt, dass viele Drehbuchautoren in ihren Skripts gar keine Details zu den Kreaturen oder Charakteren angeben, da sie sich vor allem auf die Handlung konzentrieren.
Die „Design kommt an erster Stelle“-Mentalität In den 1980er Jahren, bevor digitale Effekte Verbreitung fanden, arbeiteten die VFX-Studios mit den Filmproduzenten zusammen, um früh in der Produktion die entsprechenden Modelle zu entwerfen. Da heute die meisten Effekte digital ablaufen, ging diese gemeinsame Ideenfindung verloren. Stattdessen wenden sich Studios erst spät im Produktionsprozess mit einem Auftrag für Kreaturen an VFX-Firmen.
Bei ASC wird aber nach wie vor die traditionelle Zusammenarbeit bevorzugt. „Wir sind schon früh dabei, wenn sie noch das Skript schreiben, und helfen dabei, die Richtung der Serie, ihren Ton, ihren Look, ihre Atmosphäre zu bestimmen. So können sich alle beteiligten mit dem Konzept beschäftigen, bevor im nächsten Schritt das Skript fertiggestellt wird“, so Sims weiter.
„Für uns geht es bei jedem Projekt darum, die Charaktere zum Leben zu erwecken. Wie betrachten wir das Skript, wie arbeiten wir mit dem Regisseur zusammen, wie finden wir genau heraus, was der Charakter beim Zuschauer hervorrufen soll, was können wir tun, um genau das zum Leben zu erwecken? Das finde ich aufregend. Das ist für alle beteiligten Künstler aufregend, da es so persönlicher wird. Es ist nicht einfach so, als wäre es ein Job und man wäre nur eines von vielen Fertigungsunternehmen, das sagt: ‚Hier ist eine neue Kreatur.‘“
Kreatur-Design vom Entwurf bis zum Bildschirm Der Demogorgon war recht schnell fertig. ASC bezieht für gewöhnlich alle Mitarbeiter bei der Ideenfindung mit ein. In diesem Fall war es aber Sims, der den Entwurf des Kopfes zeichnete, der sich wie eine Blüte voller scharfer Zähne öffnet.
Mit einem anfänglichen Entwurf kann das Team von Aaron Sims die stillschweigende Zustimmung der Regisseure einholen, bevor es an den digitalen Assets weiterarbeitet. Dieser Entwurf wurde an das Design-Team weitergegeben, das die Idee weiter ausgearbeitet hat, damit sie den Regisseuren vorgestellt werden konnte. „Der ursprüngliche Entwurf war eine große Hilfe, da wir uns mit ihm sofort die stillschweigende Zustimmung der Regisseure sichern konnten. Danach wissen wir in etwa, in welche Richtung wir gehen werden“, sagt Reichstadt.
Nach der Freigabe des Entwurfs erstellt das Design-Team die digitalen 3D-Assets, die bei der Produktion verwendet werden können. Nach der Freigabe des Entwurfs durch die Regisseure erstellt ASC die digitalen 3D-Assets. In einer gewöhnlichen Zusammenarbeit hätte das VFX-Studio mit diesen Assets seine Aufgabe erledigt. Nach mehreren Iterationen und Überarbeitungsrunden am Bildschirm oder mit einem Ausdruck und nach einigen Bewegungsstudien würden die Digitaldateien an das Filmstudio weitergegeben werden. Doch bei Sims’ Erfahrung mit praktischen Effekten und Tonmodellen schien es nur logisch, den 3D-Druck zu erwägen.
Mit 3D-gedruckten Modellen können Designer die Kreaturen, die sie sich ausgedacht haben, im Raum betrachten. Dabei sparen sie gegenüber der Modellierung mit Ton viel Zeit. „Der Demogorgon war eines der ersten Teile, die wir mit unseren 3D-Druckern von Formlabs gedruckt haben, und wir waren begeistert. Davor haben wir den 3D-Druck immer extern durchführen lassen. Zu sehen, wie ein Design, das wir von Anfang an selbst mitentworfen haben, direkt vor unseren Augen im eigenen Studio gedruckt wird, war schon beeindruckend. Ich fühlte mich in die Zeiten versetzt, als wir noch mit Ton modellierten“, so Sims.
Traditionelle Bemalungs- und Nachbearbeitungstechniken werden eingesetzt, bevor das endgültige Modell den Regisseuren vorgeführt wird. Das Studio beginnt für gewöhnlich mit kleineren 3D-gedruckten Teilen, um sicherzustellen, dass alles korrekt gebaut wird. Nach der Lösung von geringfügigen Problemen werden größere Unikate gedruckt und den Regisseuren vorgeführt.
Erfahren Sie mehr über Stereolithographie , die Technologie, die Aaron Sims Creative einsetzt, um sehr detaillierte Modelle zu drucken und ihren Ideen Leben einzuhauchen.
Das ASC-Team nutzt für die Modelle Desktop-SLA-3D-Drucker. Es beginnt für gewöhnlich mit kleineren Prototypen und druckt und montiert schließlich ein größeres endgültiges Modell. „Wenn Sie in einem Projekt Ihre Vorstellungskraft verwenden, tut das auch jemand anderes. Ihre Ideen können vielleicht nicht in Einklang gebracht werden. Es ist ziemlich schwer, etwas zu kritisieren, das direkt vor einem steht. Man kann auf etwas zeigen und sagen, dass dies oder jenes nicht richtig ist. Bei einem digitalen Modell stehen solche Dinge eher zur Debatte und es kann sein, dass man bis zur letzten Minute keine Sicherheit hat. Bei praktischen Effekten weiß man konkret, mit was man arbeiten wird“, erklärt Reichstadt.
„Sobald man etwas in die Hand nehmen, es drehen und die Oberflächenbeschaffenheit betasten kann, fühlt es sich echter an. Auf eine merkwürdige Weise ist man beeindruckter. Dadurch, dass man fühlt, wie es aussehen wird, wird das Ganze echt. Und plötzlich ist es den ganzen Aufwand wert.“
Practical Effects und CGI wirken zusammen „Es hat mir immer Spaß gemacht, mich weiter zu entwickeln, wenn sich die Branche verändert hat. Ich mag es nicht, zu stagnieren. Ich denke, dass ein Künstler, der stagniert, nach einiger Zeit einfach alles hinschmeißen möchte“, so Sims.
Als die digitale Technologie begann, sich in Hollywood zu etablieren, sah es fast so aus, als würden praktische Effekte und physische Modelle bald der Vergangenheit angehören. Heute, wo Technologien wie 3D-Druck, AR und VR für viele Unternehmen leichter zugänglich werden, verwischen die Grenzen zwischen digital und physisch immer mehr.
Durch Technologien wie 3D-Druck, AR und VR verwischen die Grenzen zwischen digital und physisch immer mehr und Kreativunternehmen können neue Arbeitsweisen nutzen. „Ich glaube, wenn Leute vor 20 Jahren gesehen hätten, was wir jetzt machen, wäre ihnen der Kopf explodiert. Heute haben wir uns daran gewöhnt und sind in gewisser Hinsicht auch davon gelangweilt. Es ist beeindruckend, wie die Dinge durch Innovationen wachsen und sich verändern, aber auch, weil die Menschen immer mehr wollen“, sagt Sims.
Was ist die eine Sache, die sich nicht ändert? Die Befriedigung zu sehen, wie die eigenen Kreationen endlich zum Leben erweckt werden.
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