Wie sich Universitätskliniken und die 3D-Druckbranche als Reaktion auf COVID-19 zusammengeschlossen haben
Im April 2020 veröffentlichte Wirecutter, eine Tochter der New York Times, einen Artikel mit dem Titel „Have a 3D Printer? You Can Use It to Make Face Shields for Medical Workers“, zu Deutsch in etwa „Haben Sie einen 3D-Drucker? Dann können Sie damit Visiermasken für medizinisches Personal herstellen“. In diesem Artikel berichtete die Autorin über die schnelle Entscheidung der Michigan State University, deren vorhandene 3D-Drucker als Antwort auf gewisse Knappheiten durch COVID-19 umzufunktionieren, mit den Worten:
„Als die Forscher der Michigan State University aufgefordert wurden, ihre Labore nach medizinischen Versorgungsgütern wie Mund-Nasen-Schutzmasken zu durchsuchen und diese an das medizinische Personal im Kampf gegen COVID-19 zu spenden, besprachen Assistenzprofessor Nathan Tykocki und seine Kollegen, wie sie sonst noch helfen könnten. Sie hatten 3D-Drucker zur Verfügung. Wie könnte man daraus Nutzen schlagen?“
Da Masken und andere Versorgungsgüter knapp waren, nutzten die Forscher die 3D-Drucker schnell, um Visiermasken für das medizinische Personal der Michigan State University anzufertigen. Und mit diesem Gedankenblitz waren sie nicht allein. Forscher verschiedener Universitätskliniken im ganzen Land, bei denen 3D-Drucker normalerweise für chirurgische Anwendungen und akademische Forschung genutzt werden, verwendeten diese zur Herstellung persönlicher Schutzausrüstung (PSA), von Nasenrachenabstrichtupfern für Virustests und von Adaptern für Beatmungsgeräte.
Wie konnten die Unikliniken das bewerkstelligen? Zum Verständnis dieser innovativen und kreativen Mentalität muss man sowohl Unikliniken als auch die 3D-Druckbranche näher betrachten.
Innovation in Universitätskliniken
Ein Universitätsklinikum ist im Grunde ein Krankenhaus mit eingegliederter medizinischer Fakultät. An einer Uniklinik konzentrieren sich die Klinikärzte nicht nur auf die Behandlung der Patienten, sondern auch auf die Ausbildung von Medizinstudenten, auf die Erforschung innovativer Therapien und auf die Tests neuer Technologien. Forscher führen klinische Studien durch, sammeln Daten und fördern die neuesten Durchbrüche.
So ist es also keine Überraschung, dass bei allen Nachrichten über Materialknappheit im März und April gerade die Unikliniken nach neuen Lösungen suchten. Viele der Forscher in den Unikliniken hatten bereits 3D-Drucker vor Ort, um Verbesserungen in der Chirurgie zu voranzutreiben (z. B. durch patientenspezifische Chirurgiewerkzeuge) oder auch etwaige Forschungsinitiativen (z. B. 3D-gedruckte Pharmazeutika).
Einige Institutionen taten sich dabei sogar mit externen Beratern zusammen, mit Drittunternehmen oder mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen, um Erkenntnisse zu teilen über die besten Druckoptionen entsprechender Gegenstände. Diese kreative und kollaborative Mentalität gibt es auch in der 3D-Druckbranche, wo Unternehmen wie Formlabs als Partner die aktuelle Gesundheitskrise unterstützen.
Innovation im 3D-Druck
Die 3D-Druckbranche hat sich schon lange der Wissensverbreitung verschrieben sowie dem Streben nach kreativen Lösungen für schwierige Probleme. Formlabs wurde basierend auf dem Gedanken gegründet, Innovation zu schaffen und zu ermöglichen. Wir wollten leistungsstarke und erschwingliche Werkzeuge in die Hände der Fachleute legen, wie beispielsweise im Gesundheitswesen.
Aus diesem Grund folgte Formlabs dem Ruf seiner medizinischen Kunden nach Unterstützung zu Anfang der Pandemie und rief die COVID-19 Response ins Leben, bei welcher Institutionen mit Druckbedarf und Nutzer mit verfügbaren Druckern zusammengebracht wurden und werden.
Anwendungsbeispiele
Betrachten wir als nächstes ein paar innovative Anwendungsfälle, wie die Unikliniken 3D-Druck zur Bewältigung von COVID-19 eingesetzt haben.
*Es gilt zu beachten: Hersteller müssen jede Anwendung testen, deren Eignung bestimmen und sie validieren. Formlabs hat keine derartigen Tests durchgeführt und kann deshalb keine Empfehlungen für spezifische Anwendungen aussprechen.
Duke University (Duke COVID-19 Engineering Response Team)
Foto mit freundlicher Erlaubnis der Duke University
Das Duke University COVID-19 Engineering Response Team – zu Deutsch in etwa das Ingenieurteam der Duke University zur Reaktion auf COVID-19 – entwickelte einen Atemschutz (englisch: powered air-purifying respirator, PAPR), um das medizinische Personal vor einer Infektion mit COVID-19 zu schützen. Schon Anfang April wurde diese neue Ausrüstung erfolgreich vom Duke-Health-Gesundheitspersonal bei mindestens zwei chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Bei der Entwicklung des Atemschutzes arbeitete das Team eng mit Chip Bobbert zusammen, einem Oberingenieur und Fabrikationsarchitekten im Innovation Co-Lab der Duke University. Mithilfe der Formlabs-Drucker erstellten sie gemeinsam Atemschutzgeräte, druckten und testeten zahlreiche Designs und arbeiteten das ursprüngliche Design mehrfach um.
„Im Grunde ist dies der beste Schutz, den wir unserem Personal anbieten können, insbesondere bei der Intubation von Patienten“, berichtet Eric Richardson, Extraordinarius von Duke Biomedical Engineering.
University of South Florida
Foto mit freundlicher Erlaubnis der University of South Florida
In Partnerschaft mit Formlabs entwickelten Northwell Health, das Tampa General Hospital und die University of South Florida 3D-gedruckte Nasenrachenabstrichtupfer für COVID-19-Tests. Im Zuge einer Woche arbeiteten die Teams von USF Health und Northwell Health gemeinsam an der Entwicklung eines Abstrichtupferprototyps. Die Forscher von USF Health aus den Abteilungen für Radiologie und Infektionskrankheiten führten die Validierung zusammen mit ihren Kollegen von Northwell Health durch. Klinische Tests wurden auf schnellstem Wege bei Northwell Health und im Tampa General Hospital durchgeführt. Alle Testresultate der 3D-gedruckten Abstrichtupfer ergaben eine vergleichbare Leistung wie die der herkömmlichen Tupfer für COVID-19-Tests. Die Prototypen wurden mit den 3D-Druckern von Formlabs und biokompatiblen Kunstharzen hergestellt. „Wir sind dankbar, dass wir als Team zusammenarbeiten konnten, um diese Lösung so schnell wie möglich einsetzbar zu machen, damit wir hoffentlich vielen Leuten helfen. Die Resonanz war überwältigend“, erklärt Dr. Summer Decker, Extraordinaria der Abteilung für Radiologie am USF Health Morsani College of Medicine und Direktorin für klinische 3D-Druckanwendungen. „Es war ein sehr erfüllendes Erlebnis, mit so vielen Krankenhäusern auf der ganzen Welt sprechen zu dürfen, ihre Erfahrungen zu hören und herauszufinden, wie wir ihnen helfen können. Die Situation hat viele Barrieren aus dem Weg geräumt, sodass wir alle gemeinsam an der Rettung von Menschenleben arbeiten können.“
Northwell Health
Foto mit freundlicher Erlaubnis von Northwell Health
Mithilfe von Formlabs-Druckern druckten die Feinstein Institutes for Medical Research bei Northwell Health Abstrichtupfer für COVID-19-Tests und entwickelten einen 3D-gedruckten Adapter, um BiPAP-Geräte in Beatmungsgeräte für COVID-19-Patienten umzuwandeln. Ein Arzt von Northwell Health, ein Atmungstherapeut und ein 3D-Druck-Bioingenieur arbeiteten gemeinsam unter Verwendung eines 3D-gedruckten T-Stücks an der Entwicklung eines Designs, das gewöhnliche BiPAP-Geräte (Bilevel Positive Airway Pressure) in funktionierende nichtinvasive Beatmungsgeräte umwandelt. Ein BiPAP-Gerät ist eine nichtinvasive Maschine, die für gewöhnlich über Nacht zur Erhaltung einer stabilen Atmung eingesetzt wird, z. B. bei Schlafapnoe, Herzinsuffizienz oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung.
Dr. med. Todd Goldstein, Direktor für 3D-Design und Innovation bei Northwell Health, hat die Druckgeschwindigkeit der Adapter auf den 3D-Druckern gelobt.
Northwell Health on 3D printing
„Wir konnten das Design des T-Stück-Adapters imitieren und die Kunstharzteile auf unseren 3D-Druckern herstellen. Falls die Nachfrage bestünde, könnten wir 150 Adapter binnen 24 Stunden drucken.“
Yale Medicine
Foto mit freundlicher Erlaubnis von Dr. Luiz Maracaja & Yale Medicine
Forschungsärzte von Yale Medicine haben für das medizinische Personal eine Visiermaske mit Luftkanälen angefertigt. Die Visiermaske bietet einen kontinuierlichen Strom aus Druckluft oder Sauerstoff. Die Luftzirkulation ermöglicht bequeme Atmung unter einer abgeschlossenen Kunststoffhaube und entfernt gleichzeitig den Beschlag vom Sichtfenster. Dieses Design eröffnet dem Gesundheitspersonal besseren Schutz bei verbessertem Tragekomfort. Dr. Luiz Maracaja ist Narkosefacharzt und entwickelte die Visiermaske gemeinsam mit Dr. Daina Blitz und Dr. Danielle L. V. Maracaja von der Universität Yale und mit Dr. Caroline Walker von der University of Mississippi. Sie trägt den Namen „Oxyframe PPE“. Zur Herstellung der Visiermasken wurden Formlabs-Drucker eingesetzt. „Das Konzept ist simpel. Wir haben im Grunde den Rahmen einer Visiermaske und eine der Seiten ist offen bzw. hohl, damit man die Druckluft oder den Sauerstoff einspeisen kann“, erklärt Dr. Luiz Maracaja. Dr. Daina Blitz fügt an: „Diese Visiere können überall im Krankenhaus zum Einsatz kommen, wo man Luft zur Verfügung hat. Es muss keineswegs nur Sauerstoff sein. Alle Luft- oder Sauerstoffgeräte funktionieren, wenn sie positiven Druck erzeugen, um die Aerosole wegzublasen.“
Johns Hopkins
Foto mit freundlicher Erlaubnis der Johns Hopkins University
An der Johns Hopkins University hat ein Ingenieurteam den Prototypen eines 3D-gedruckten Beatmungsverteilers entwickelt, mit dem Ärzte ein einziges Beatmungsgerät für mehrere Patienten in kritischem Zustand gleichzeitig verwenden können. Viele Gesundheitssysteme litten unter der gestiegenen Nachfrage an Beatmungsgeräten durch die COVID-19-Krise. Sung Hoon Kang ist Assistenzprofessor für Maschinenbau an der Johns Hopkins Whiting School of Engineering. Er berichtet uns: „Im Maschinenbau gibt es gerade großen Bedarf an Open-Source-Lösungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, insbesondere was Design und Produktion für Beatmungsgeräte betrifft. Dabei ist ein Ansatz, mehrere Patienten mit demselben Gerät zu behandeln. Das ist zwar machbar, doch muss es auch sicher für alle Patienten sein. So muss die entsprechende Fürsorge für alle Patienten gewährleistet sein, ohne dass jemand zu kurz kommt. Das war unser Ziel.“
Aufgrund der potenziellen Risiken bei der geteilten Nutzung eines Beatmungsgeräts haben die Forscher eine Luftstromsteuerung und ein Messgerät entworfen, mit dem die Ärzte den Luftstrom jedes einzelnen Patienten am Beatmungsgerät überwachen können. Außerdem entwirft das Team einen Filter, der gegenseitige Kontamination zwischen den Patienten verhindern soll.
Fazit
Es ist offensichtlich, dass Forscher, Ärzte und andere Innovatoren im Gesundheitswesen mit kreativen Lösungen auf die noch nie da gewesene und sich ständig ändernde COVID-19-Situation reagiert haben. An Unikliniken mit vorhandenen 3D-Druckerflotten und einer bestehenden Innovationskultur waren 3D-Drucker ein ganz natürlicher Bestandteil dieses Prozesses.
Falls Ihre Einrichtung mehr über den 3D-Druck erfahren möchte, werfen Sie doch einen Blick auf die Website von Formlabs Medical.