Die Wahl der richtigen Wandstärke ist vielleicht eine der wichtigsten Entscheidungen beim Design für den 3D-Druck. Sind die Wände zu dick, kostet die Herstellung mehr, der Druck dauert länger und das Teil könnte sogar reißen. Sind die Wände zu dünn, erfüllt das Teil seine Funktion vielleicht nicht richtig, verzieht sich beim Druck oder kostet ebenfalls mehr, da Sie das Design noch einmal umarbeiten müssen.
Ein Verständnis der minimalen Wandstärke beim 3D-Druck führt zu erfolgreicheren Designs und senkt die Produktionskosten.
Grundlegende Richtlinien und Definitionen
Bevor wir mit den Berechnungen der minimalen Wandstärke loslegen, sollten wir erst einmal ein paar wichtige Begriffe klären.
Was ist die Mindestwandstärke?
Die Mindestwandstärke ist die kleinstmögliche Dicke, die eine Struktur haben kann und noch ihre Funktionsfähigkeit behält. Dieser Mindestwert hängt von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen das verwendete 3D-Druckverfahren, physikalische Kräfte (z. B. Schwerkraft) und wie viel Druck die Struktur bei der Verwendung ausgesetzt ist.
Nehmen wir zum Beispiel einen Bleistift. Je dünner die Spitze und je weiter der Schaft entfernt ist, desto weniger Belastung hält der Grafit aus. Dabei ändert sich der letztendliche Bruchpunkt von Person zu Person, da jeder beim Schreiben einzigartig viel Druck ausübt. So ist das auch bei 3D-gedruckten Strukturen.
Gestützte oder ungestützte Wände
Eine ungestützte Wand ist nur an einer Seite (oder Kante) mit einer anderen Wand verbunden. Eine gestützte Wand ist mit mindestens zwei Wänden an mindestens zwei Seiten verbunden.
Durchmesser vertikaler Drähte
Als Drähte bezeichnet man runde Komponenten, im Gegensatz zu den ebenen Flächen der Wände. Aufgrund der anderen physikalischen Körperform wird die Mindeststärke als Durchmesser angegeben. Bei einer Säule oder einem vertikalen Draht müssen Sie den Mindestdurchmesser berechnen, also die Dicke am weitesten Schnitt des Kreises.
Geprägte oder eingravierte Details
Bei der Berechnung der minimalen oder maximalen Stärke filigraner Details muss man den Unterschied zwischen Prägung und Gravur verstehen. Geprägte Details erheben sich aus dem Design heraus, eingravierte Details reichen in das Design hinein oder sind konkav.
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Wie Sie die minimale Wandstärke für den 3D-Druck berechnen
Um die perfekte Wandstärke für Ihr Design zu finden, müssen Sie drei Dinge beachten: den Zweck Ihres Designs, die gewünschte Ästhetik und den physischen 3D-Druckvorgang.
Mindestwandstärke für den 3D-Druck
Die minimale Wandstärke hängt vom Typ des 3D-Druckers ab. Nehmen Sie die nachfolgenden Designleitfäden als Ausgangspunkt zur Wahl der richtigen Wanddicke Ihres Modells unter Berücksichtigung des 3D-Druckvorgangs, den Sie verwenden möchten.
Stereolithografie (SLA) | Schmelzschichtung (Fused Deposition Modeling, FDM) | Selektives Lasersintern (SLS) | ||
---|---|---|---|---|
Gestützte Wand | Mindeststärke | 0,2 mm | 1 mm | 0,6 mm vertikal & 0,3 mm horizontal |
Ungestützte Wand | Mindeststärke | 0,2 mm | 1 mm | 0,6 mm vertikal & 0,3 mm horizontal |
Durchmesser vertikaler Drähte | Mindestdurchmesser | 0,2 mm | 3 mm | 0,8 mm |
Eingravierte Details | Mindestvertiefung | 0,15 mm | 0,6 mm breit & 2 mm tief | 0,1 mm – 0,35 mm |
Geprägte Details | Mindesterhöhung | 0,1 mm | 0,6 mm breit & 2 mm hoch | 0,1 mm – 0,4 mm |
In vielen Fällen bietet der Hersteller des 3D-Druckers oder der 3D-Druckdienstleister einen Design-Leitfaden mit Empfehlungen zur Wandstärke, die auf Tests des spezifischen Druckermodells beruhen.
Im Allgemeinen erstellen SLA-3D-Drucker die dünnsten Wände aller 3D-Drucktechnologien. Doch gibt es auch dabei Unterschiede zwischen den Geräten. Beispielsweise bietet unser eigener SLA-Drucker Form 3+ mehr Gestaltungsfreiheit als sein Vorgänger, der Form 2, da er über einen flexiblen Harztank verfügt, welcher die Abzugskräfte beim Druckvorgang entscheidend verringert.
Falls Sie mit einem FDM-3D-Drucker arbeiten, kann die empfohlene Wandstärke auch von der Größe der jeweiligen Düse abhängen. Zum Beispiel sollte sich die Wandstärke bei einer Düse von 0,4 mm auch durch 0,4 teilen lassen. So bekommen sie wahrscheinlich bei einer Stärke von 1,2 mm bessere Ergebnisse als bei 1 mm wie in der Tabelle empfohlen – oder Sie wechseln zu einer dünneren Düse.
Bei SLS-3D-Druckern liegt die minimale Wandstärke zwischen den empfohlenen Werten für SLA und FDM. Allerdings ergeben sich hier einige besondere Vorteile, da beim selektiven Lasersintern keine Stützstrukturen erforderlich sind – die Teile werden beim Druck nämlich durch das ungesinterte Pulver gestützt. Mit SLS lassen sich daher komplizierte Geometrien umsetzen, die bisher unmöglich waren, wie beispielsweise ineinandergreifende oder bewegliche Teile, Teile mit Innenkomponenten oder Kanälen sowie weitere höchst komplexe Formen.
Design-Leitfaden für den SLA-Drucker Form 3
Diesen Design-Leitfaden haben wir erstellt, um einige Mindestkriterien zu erläutern, die Sie bei Ihrem Form 3 erwarten können.
Design-Leitfaden für den SLS-Drucker Fuse 1
Dieser Leitfaden behandelt die wichtigen Abmessungen und Designüberlegungen, die bei der Konstruktion von Teilen für den SLS-3D-Druck auf dem Fuse 1 zu beachten sind. Sie lernen, wie Sie sich diese Praktiken zunutze machen, um leistungsstarke Teile zu produzieren.
Welchem Zweck dient Ihr Design?
Der Verwendungszweck Ihres Druckteils sollte nicht nur in die Bestimmung der richtigen Wanddicke einfließen, sondern auch in die Wahl des Materials. Entwerfen Sie etwa ein biegsames Teil aus Flexible 80A Resin, so müssen Ihre Wände dick genug sein, um der Kompression Ihres Teils standzuhalten, aber gleichzeitig auch dünn genug, um eine solche Bewegung nicht zu behindern.
Die Schlagfestigkeit und die Zugfestigkeit des verwendeten 3D-Druckmaterials wirken sich ebenfalls auf die ideale Wandstärke aus. Beispielsweise ist das Material Rigid 10K Resin für die SLA-3D-Drucker von Formlabs glasverstärkt und bietet so eine sehr hohe Steifigkeit und starke Formbeständigkeit, wodurch sich das Material sehr gut für den Druck dünner Wände eignet.
Falls Sie Fertigungskomponenten wie Thermoformwerkzeuge oder Fertigungshilfen drucken, die wiederholter Krafteinwirkung oder Druck standhalten müssen, dann benötigen Sie solide Teile oder dickere Wände. Dünne Wände halten wiederholte Zyklen nicht aus.
Wie soll Ihr Design aussehen und wie soll es sich anfühlen?
Farbe, Oberflächenbeschaffenheit und Detailabbildung sind wichtig, insbesondere beim Druck von Anschauungsprototypen, Figuren oder Kunstobjekten. Die gute Nachricht dabei lautet, dass Sie unter früher Berücksichtigung der empfohlenen Wanddicke Ihr Design gleich an die Einschränkungen des 3D-Drucks anpassen können.
Nehmen wir an, Sie entwerfen eine Figur mit Knöpfen auf der Kleidung und diese Knöpfe sind geprägte Details. Dann können Sie mithilfe einer schnellen Berechnung gleich zu Beginn sicherstellen, dass die Knöpfe dick genug sind, um klar auf Ihrer Figur erkennbar zu sein, und auch die nötigen Abstände haben.
Zu beachtende Einschränkungen
Es gibt ein paar allgemeingültige Überlegungen, die im Designprozess bei der Vorbereitung eines Modells für den 3D-Druck stets berücksichtigt werden müssen. Ein Verständnis dieser Einschränkungen verhindert, dass Sie Ihre Modelle mehrmals drucken müssen.
Detailverlust bei der Skalierung
Probleme mit der Wandstärke treten oft dann auf, wenn Modellierung und Druckvorgang nicht als Einheit betrachtet werden. In der CAD-Software erscheinen die Modelle vielleicht stabil, aber in der Praxis funktionieren Sie dann einfach doch nicht. So werden z. B. Architekturelemente wie etwa ein Vordach unwahrscheinlich dünn, wenn man ein Gebäude auf ein Modell in Tischgröße verkleinert.
Verziehen
Zu dünne Wände bergen das Risiko, dass sich Druckteile während des Druckvorgangs oder auch danach verziehen oder reißen. Während des Druckvorgangs benötigt jede Schicht Ihres gedruckten Designs einen gewissen Kontakt mit der vorherigen Druckschicht. Ist das nicht der Fall, kann es zu abgesackten, gebogenen oder selbst zu separierten Teilen führen.
Nach dem Druck Ihres Designs muss dieses noch der Reinigung und dem langfristigen Einsatz standhalten. Auch wenn Sie eine Figur entwerfen, die einfach nur im Regal steht, so sind dünne Wände immer noch anfälliger für Verformungen oder Risse, sobald die Stützstrukturen entfernt werden.
Wölbung
Bei 3D-Drucktechniken, die Rohmaterialien schmelzen oder sintern – wie FDM oder SLS –, haben besonders Ecken und Kanten eine Tendenz, sich zu wölben. Abhängig von der Form, der Kontur und der Wandstärke des Designs kühlen gewisse Bereiche schneller ab als andere. Das führt in Bereichen wie den Ecken einer Wand gelegentlich zu Wölbungen, da dort drastische Temperaturunterschiede aufeinandertreffen.
Designtipps und Fehlerbehebung bei der Wandstärke im 3D-Druck
3D-Modellierungssoftware bietet meistens zahlreiche Werkzeuge, um die Wandstärke Ihres Designs vor dem Druck zu prüfen und anzupassen. Hier sind ein paar Beispiele aus beliebten CAD-Programmen:
Verwenden Sie in MeshMixer „Analysis“ → „Thickness“ (Analyse → Stärke), um die Wandstärke des Modells auf die Machbarkeit mit der gewählten 3D-Drucktechnologie zu prüfen. Falls Sie die Stärke des Gittermodells erhöhen möchten, benutzen Sie den Befehl „Extrude“ (Extrudieren). Wählen Sie dazu den entsprechenden Bereich mit dem Modus „Brush“ (Pinsel) aus, der die Auswahl (und durch Halten von Strg die Abwahl) individueller Dreiecke ermöglicht. Die Auswahl kann geglättet werden, indem Sie „Modify“ → „Smooth Boundary“ (Modifizieren → Grenze glätten) aus dem Pop-up-Menü auswählen. Durch Erhöhung der Parameter „Smoothness“ (Glätte) und „Iterations“ (Iterationen) wird die Auswahl sauberer. Wählen Sie nun „Edit“ → „Extrude“ (Bearbeiten → Extrudieren) via D mit „Normal“ (Normale) als Einstellung unter „Direction“ (Richtung).
In unserem MeshMixer-Tutorial erhalten Sie 15 Profitipps und erfahren, wie Sie nicht nur ein Dreieckgitter optimieren, sondern auch ganze Bereiche umformen, das Modell stilisieren oder nützliche Elemente hinzufügen.
In Fusion 360 können Sie mit der Funktion „Thicken“ (Verbreitern) die Stärke einzelner Wände ändern.
In Rhino erstellen Sie mit der Funktion „Extrude Surface“ (Fläche extrudieren) dickere Wände und Ebenen.
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