Die Rekonstruktion mittelalterlicher deutscher Städte mit großformatigen 3D-gedruckten Modellen
Die quellenbasierte 3D-Rekonstruktion antiker Städte ist ein wichtiges Arbeitswerkzeug für Archäologen, (Kunst-)Historiker und Architekten geworden. Sie dient nicht nur der Veranschaulichung der Städte, sondern auch dem besseren Verständnis historischer Ereignisse und präsentiert hypothetische Visualisierungen der Vergangenheit.
Die Städte Speyer, Worms und Mainz - die sogenannten SchUM-Städte - gehören zu den historisch herausragenden Städten, deren Entwicklung für die Region von großer Bedeutung ist. Als eine der bedeutendsten Städte des Heiligen Römischen Reiches im Hochmittelalter entwickelten sie sich schnell zu wichtigen gesellschaftlichen und kulturellen Zentren der kaiserlichen Macht. Um diese mittelalterliche Bedeutung besser veranschaulichen zu können, haben sich die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) sowie das Architekturinstitut der Hochschule Mainz (AI MAINZ) entschlossen, alle drei Städte physisch nachzubilden. Das Ergebnis ist eine eindrucksvolle Ausstellung, die sechs großformatige Modelle der Städte um 800 und um 1250 nach Christus zeigt. Diese bestehen aus über 650 Segmenten, die alle mit Stereolithographie (SLA) 3D-Druck gefertigt wurden.
Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht
Das Architekturinstitut in Mainz (AI MAINZ) ist eine Forschungseinrichtung der Hochschule Mainz. Als interdisziplinäre Einrichtung verbindet das Institut Architektur- und Kunstgeschichte mit angewandter Informatik.
Das Projekt der Rekonstruktion mittelalterlicher Städte am Rhein startete im September 2018 mit dem Ziel, die Entwicklung der drei Städte - Speyer, Worms und Mainz - zu visualisieren.
Mit Hilfe archäologischer Funde und erhaltener Baustrukturen rekonstruierten Archäologen und (Kunst-)Historiker der GDKE sowie das AI MAINZ die Städte in allen Einzelheiten digital. "Wir wollten die Entwicklung der einzelnen Städte zeigen. Jede Stadt hatte um 1250 ein jüdisches Viertel und eine sehr wichtige romanische Kathedrale, die mit dem Kaiser und der Stadtstruktur verbunden waren", sagt Igor Bajena, einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der für die digitale und physische Visualisierung und Umsetzung des Projekts verantwortlich war.
Detailgenauigkeit als entscheidende Anforderung
Die Entscheidung für die physische Visualisierung bedeutete auch, dass das richtige Druckverfahren ausgewählt werden musste. Angesichts der Anforderungen an Detailtreue und Genauigkeit der Segmente erwies sich der SLA-3D-Druck als die optimale Lösung. "Wir haben verschiedene Technologien verglichen und festgestellt, dass die Formlabs-Technologie für uns am besten ist, da Details viel besser sichtbar sind und die Ästhetik besser zu dem passt, was wir brauchen", erklärt Aliyah Mahmood, die zusammen mit Herrn Bajena von Anfang bis Ende für die Umsetzung verantwortlich war.
Das AI MAINZ betreibt heute vier Form 2 und drei Form 3 Stereolithographie 3D-Drucker, mit denen das Projekt erfolgreich umgesetzt wurde.
Die Zuverlässigkeit der Form 2 und Form 3 ermöglichte es Frau Mahmood und Herr Bajena, im Laufe des Projekts über 650 Segmente zu drucken, wobei die SLA 3D-Drucker kontinuierlich im Einsatz waren. Lediglich für die Reinigung und den Austausch der Harztanks wurden sie vorübergehend ausgeschaltet, um sicherzustellen, dass die Drucker weiterhin mit höchster Präzision und gleichbleibender Genauigkeit arbeiten können. Das Support-Team von Formlabs unterstützte sie dabei: "Formlabs hat uns während des gesamten Prozesses wirklich geholfen", sagte Aliyah Mahmood, die für die Wartung und den Betrieb aller sieben SLA-Drucker zuständig war.
Je nach Umfang der Details und Höhe der Gebäude auf dem Segment dauerte ein Druck zwischen 12 und 24 Stunden. Die jeweilige Grundplatte von 12cm x 12cm mit einer Höhe von 0,8 cm bzw. 0,9 cm wurde dabei zuerst gedruckt, gefolgt von den architektonischen Einzelheiten.
Wie Renzo Piano Building Workshop Architekturmodelle mit 3D-Druck herstellt
Erfahren Sie mehr darüber, wie der Pritzker-Preisträger Renzo Piano und sein Team den 3D-Druck nutzen, um ihre architektonischen Ideen bis ins kleinste Detail zu visualisieren und Änderungen innerhalb weniger Stunden umzusetzen.
Zusammengefasst haben die Segmente der Modelle der drei Städte im Maßstab 1:1000 folgende Maße:
- Worms um 800 Rekonstruktion: 116,7 cm x 108 cm, Höhe von 0,9 cm bis 4,0 cm
- Worms um 1250 Rekonstruktion: 116,7 cm x 108 cm, Höhe von 0,9 cm bis 7,9 cm
- Speyer um 800 Rekonstruktion: 252 cm x 159,8 cm, Höhe von 0,8 cm bis 3,3 cm
- Speyer um 1250 Rekonstruktion: 252 cm x 159,8 cm, Höhe von 0,8 cm bis 8,8 cm
- Mainz um 800 Rekonstruktion: 168 cm x 204 cm, Höhe von 0,8 cm bis 6,6 cm
- Mainz um 1250 Rekonstruktion: 168 cm x 204 cm, Höhe von 0,8 cm bis 7,5 cm
Die Maße und die Einteilung der Segmente basieren auf dem Fertigungsvolumen des Form 2 und Form 3.
Der architektonische Anspruch sowie die geforderte Detailtreue erleichterten Frau Mahmood und Herr Bajena die Entscheidung für den Einsatz von Formlabs White Resin. Mit der neutralen Farbe, der hohen Detailtreue und der matten Oberfläche bietet es ideale Voraussetzungen für die Ausführung des Projekts ohne aufwendige Nachbearbeitung. "White Resin ist viel besser, weil wir die Details besser darstellen können und die Segmente glatter sind. Man erhält praktisch ein vorzeigbares Modell direkt aus dem Drucker", so Frau Mahmood.
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Der Arbeitsprozess für die Erstellung von maßstabsgetreuen Modellen
Nachdem die 3D-gedruckten Teile aus dem Drucker entnommen wurden, durchlief jedes Segment einen routinierten Prozess, der viel Fingerspitzengefühl erforderte:
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Waschen
Um überschüssiges Harz zu entfernen und die Segmente für die weitere Verarbeitung vorzubereiten, wurde jedes Segment zunächst in einem Isopropylalkohol (IPA)-Bad in Formlabs Form Wash gereinigt.
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Entfernen der Stützstrukturen
Nachdem das Segment von der Bauplattform entfernt worden war, wurden die Stützstrukturen in zwei Schritten abgelöst. Zunächst wurden die feineren Strukturen an und in den Gebäuden vorsichtig mit dem Seitenschneider und der Pinzette aus dem Finishing Kit gelöst. Dabei musste besonders auf Segmente mit kleinen Details und Öffnungen geachtet werden, um diese nicht zu beschädigen. Im zweiten Schritt wurden die groben Strukturen unterhalb des Segments entfernt und eingeebnet.
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Schleifen
Um eventuelle Spuren der Stützstrukturen zu beseitigen und Details besser sichtbar zu machen, wurde jedes Teil anschließend von Hand geschliffen. Auch hier musste darauf geachtet werden, nicht zu viel Material abzutragen, um einen optisch fließenden Übergang der einzelnen Segmente zu erzielen.
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Lackieren
Als abschließendes Finish wurde jedes Segment mit zwei Schichten weißer Farbe unter Verwendung einer Spritzpistole lackiert. Dadurch wurden die Oberflächen der Segmente optisch aufgewertet und kleine Details hervorgehoben.
Aufgrund der feinen Strukturen und Details der einzelnen Segmente gestaltete sich die Nachbearbeitung als sehr zeitaufwendig. Das Abbrechen oder Beschädigen von Gebäuden oder zu starkes Schleifen bedeutete automatisch einen erneuten Druck des Segments und den Verlust wertvoller Zeit.
Leitfaden zur Nachbearbeitung und Fertigstellung von SLA-Druckteilen
Erfahren Sie mehr über die verschiedenen Methoden und Möglichkeiten der Nachbearbeitung Ihrer SLA-3D-gedruckten Teile.
Vom 3D-Drucker ins Landesmuseum Mainz
Nach zwei Jahren, 650 Segmenten und über 22.000 Arbeitsstunden wurden in einem letzten Schritt die Modelle Speyer, Worms und Mainz in ihren jeweiligen Epochen zusammengesetzt.
Im neu eröffneten Digital Urban History Lab im Landesmuseum Mainz können Besucher ab dem 13.09.2021 die historische Entwicklung, die bauliche Rekonstruktion und den Druck der mittelalterlichen Städte betrachten und vergleichen. Das hybride Labor DUHL wurde als integraler Bestandteil der Landesausstellung "Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht - von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa" durch den Studiengang Zeitbasierte Medien des Fachbereichs Gestaltung, Architekturinstitut der Hochschule Mainz und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz realisiert und kann auch nach dem Ende der Landesausstellung weiterhin besucht werden.
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*Das Projekt wurde durch die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE), Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Sparkasse Rhein-Nahe und J. Molitor Immobilien GmbH finanziert.