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Wie CERN mit 3D-Druck Teilchendetektoren baut

Die Europäische Organisation für Kernforschung, auch als CERN bekannt, ist ein Forschungszentrum für Hochenergiephysik, in dem das weltgrößte Teilchenphysiklabor betrieben wird. CERN beherbergt den größten und leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt, den Large Hadron Collider (LHC).

Als eines der großartigsten und teuersten wissenschaftlichen Instrumente, das je gebaut wurde, hilft das LHC der Menschheit bei der Beantwortung einiger fundamentaler ungelöster Fragen der Physik. Hierbei geht es etwa um die grundlegenden Gesetze, die die Interaktionen und Kräfte zwischen elementaren Objekten bestimmen, um die tiefsten Strukturen von Raum und Zeit und insbesondere um die Wechselbeziehung zwischen Quantenmechanik und allgemeiner Relativität.

Maschinenbauingenieur Massimo Angeletti ist Mitglied der Abteilung für Detektortechnologie im Bereich experimentelle Physik (EP-DT), die sich mit der Konstruktion, der Montage und der Installation von Teilchendetektoren beschäftigt. Erfahren Sie im Folgenden, wie diese Abteilung des CERN 3D-Druck in den Bereichen Rapid Prototyping, Forschung und Entwicklung einsetzt.

estructuras de soporte impresas en 3D con la Black Resin

Ein Beispiel 3D-gedruckter Stützvorrichtungen aus Black Resin. Ihr Zweck ist, drei gebogene, dünne Chip-Sensoren (Typ ALPIDE MAPS, 40 µm dick) während eines Tests mit Teilchenstrahlen in Position zu halten.

Rapid Prototyping von Teilchendetektoren

Angelettis Abteilung nutzt 3D-Druck schon seit mehr als sechs Jahren für verschiedene Anwendungen und setzt dafür zwei Stereolithografie-3D-Drucker (SLA) des Typs Form 2 und einen Form 3L ein, die heute eine Schlüsselrolle bei den Forschungs- und Entwicklungsprozessen der neuen Generation von Teilchendetektoren spielen, die im LHC installiert werden.

Durch das Rapid Prototyping mit betriebsinternen 3D-Druckern konnte das Team seine Entwicklungszeiten verkürzen, Kosten senken und neue Layout-Lösungen nutzen, die mit traditioneller Fertigung nicht erreichbar sind. Vor dem Umstieg auf hausinterne Produktion war die Abteilung auf Zulieferer angewiesen und musste selbst auf die Lieferung recht einfacher 3D-Druckteile wochenlang warten. Die Drucker und Materialien von Formlabs werden in erster Linie zur Prototypenfertigung verwendet, aber auch zur Herstellung von Formen und Werkzeugen, die bei der Montage und beim Testen der Detektoren zum Einsatz kommen.

rapid prototyping
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Leitfaden zum Rapid Prototyping für die Produktentwicklung

In diesem Leitfaden erfahren Sie, wie sich Rapid Prototyping in Produktentwicklungsprozesse einfügt, welche Anwendungsfälle dafür bestehen und welche Rapid-Prototyping-Werkzeuge den Produktentwicklungsteams von heute zur Verfügung stehen.

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Angelettis Abteilung hat auch Drucker mit FDM-Technologie getestet, stellte jedoch fest, dass die Oberflächenqualität, Schmutzbeständigkeit und Haltbarkeit der Teile den Ergebnissen von SLA-Druckern weit unterlegen war. Aufgrund der hohen Ansprüche an die Präzision der Teile waren diese Eigenschaften für das CERN-Team von höchster Bedeutung, sodass die Wahl für die Prototypenfertigung auf den SLA-Druck fiel.   

Dank der von Formlabs bereitgestellten Schulung ist das Forschungsteam in der Lage, die Drucker selbstständig und sicher zu bedienen. In den meisten Fällen sind es die Forschenden selbst, die Designs in CAD-Modelliersoftware erstellen und sie an den Drucker senden, was den Prozess beschleunigt.

Several 3D printed parts in Black Resin

Verschiedene 3D-gedruckte Teile aus Black Resin, die bei der Montage eines Detektorprototyps im tatsächlichen Maßstab zum Einsatz kommen (60 x 60 x 300 mm3). Der Prototyp in der oberen Abbildung ist ein Modell eines neuen Teilchendetektors, der auf großen, dünnen MAPS-Sensoren aufbaut (90 x 280 mm2, 30-40 µm dick) und für ALICE entwickelt wird, eines der großen Experimente im LHC.

Dank der einzigartigen Gestaltungsfreiheit der additiven Fertigung lassen sich auch komplexe dreidimensionale Formen herstellen. Dies unterstützt den Trend zur Produktion maßangefertigter, vielseitiger und filigraner Strukturen für Teilchendetektoren.

Heute werden 3D-gedruckte Polymermaterialien in LHC-Experimenten immer weitläufiger eingesetzt. Aufgrund der Strahlenbelastung im Experimentbereich, welche die mechanischen Eigenschaften verfälschen kann, bestehen jedoch strenge, spezifische Anforderungen an die Druckmaterialien. 

„Deshalb möchten wird die Formlabs-Materialien weiter für Umgebungen mit hoher Strahlenbelastung testen, damit ihre Verwendung in Funktionsteilen für die Detektoren im Experimentbereich ausgeweitet werden kann“, erklärt Angeletti.

Derzeit sind Black Resin und Clear Resin die Kunstharze, die beim Prototyping des Teilchendetektors am meisten verwendet werden, doch das CERN-Team führt auch Tests mit Rigid 4000 Resin und Rigid 10K Resin durch, um zukünftig potenziell auch Teile für die Endverwendung zu drucken.

„Mit 3D-Druckern geht alles leichter und schneller. Man hat den Prozess von Anfang bis Ende in der Hand. Man kann die Dateien selbst erstellen und an den Drucker senden, was ein zufriedenstellendes Erlebnis ist. Außerdem lässt der 3D-Druck eine Menge Iterationen zu. Innerhalb weniger Tage hält man das endgültige Teil in der Hand, das bei Auslagerung an Drittanbieter erst Wochen später geliefert worden wäre. Es ist unglaublich.“

Massimo Angeletti, Maschinenbauingenieur, CERN

Die Zukunft des 3D-Drucks in der Forschung

„Es wäre toll, 3D-gedruckte Teile voll zu integrieren und die standardmäßige Fertigung zu minimieren“, so Angeletti. Tatsächlich sieht er die Zukunft des Detektors fast vollständig im 3D-Druck, anders als im Fall anderer Elektronikteile wie Sensoren und ihrer Komponenten. Sobald sie für Experimente mit hoher Strahlung getestet wurden, hofft Angeletti in möglichen zukünftigen Experimenten auch neue strahlungsqualifizierte Photopolymere einzusetzen.

Von Millifluidikgeräten über galvanisierte Strahlteiler und Hochleistungsantennen, von Kalibriereinheiten bis hin zur Korallenforschung wird der 3D-Druck von wissenschaftlichen Fachleuten weltweit genutzt, um die Forschung voranzutreiben, Kosten zu senken und die Entwicklung fortschrittlicher Experimentausrüstung zu beschleunigen sowie wissenschaftliches Gerät maßanzufertigen. 

Lernen Sie die verschiedenen 3D-Drucker, Materialien und Anwendungen kennen, um zu erfahren, wie der 3D-Druck für Ihre Forschung und Lehre zum entscheidenden Hilfsmittel wird.